Prolog in der Hölle.

[14] Bombar, der Oberste der Teufel. Ihn umgeben seine Großen: Asafötida, Lepidanthos, Rhamphastus, Suffimentum, Praktinski, Ventriculus und sonstige, die zu seinem Ergötzen damit beschäftigt sind, verdammte Menschenseelen zu plagen. Man gebrauche zur Vergegenwärtigung der Qualen Hanns Memling's Bild des jüngsten Gerichts in der Marienkirche zu Danzig; ebenso zur Herstellung der Kostüme.


BOMBAX.

Stellt ein die Arbeit, die verfluchte Freude,

Die Seelen der Verdammten hier zu quälen!

Ein Ruhetag sei drin für heute.

Ich will euch lieber was erzählen:

Zu eng' für uns're Thätigkeit

Ist diese liebe Hölle worden.

Die Sünder machen sich zu breit;

Es fehlt am Platze aller Orten.

Ein neu Quartier, in größern Räumen,

Zum Unterbringen heißt es zu erwerben.

Dies zu beschaffen, dürfen wir nicht säumen;

Sonst ging' mein ganzes Reich in Scherben;

Denn an der Pestluft würd' es sterben;

Und alle wären gut daran.

Wie fangen wir's am Klügsten an,

Dem Himmelreich ein Fetzchen zu entreißen,

Das wir zu der Verfluchten Jammer

Benutzen frech als Folterkammer

Und uns zum Badeplatz, dem heißen?

Da sind so viel von den Planeten

Und Fixgestirnen unbewohnt,

Ganz abgeseh'n von den Kometen,

Die zu benutzen schlecht sich lohnt.

Den einen oder anderen uns abzulassen,

Wär' ein Gebot der Billigkeit.[15]

Doch wie die Göttlichen uns hassen,

Zweifl' ich an ihrer Willigkeit.

Es gilt demnach, durch List von jenen Obern

Ein Stückchen Weltenraum uns zu erobern:

Etwa den Sirius ihnen zu entwinden

Und drauf ein zweites Höllenreich zu gründen.

PRAKTINSKI.

Sehr wahr! – Ich fühl' Bedürfnis zum Regieren,

Kann ich auch nur die Unterherrschaft führen.

BOMBAX.

Gern' wär' dich Unruhstifter hier ich los.

Es wird mit deinem Einfluß mir zu groß.

Du bist ein Neuerer, ein Sozialiste

Und stehst bei mir schon auf dem schwarzen Brett.

Wir führen hier auch eine Stand- und Würdenliste;

Im Rang muß höllisch unterschieden sein.

Gleich schlimm erscheinen, wär' nicht nett;

Denn nur das Elend ist hier allgemein.

ASAFÖTIDA.

Die Venus wollen wir entzieh'n dem Sonneneinfluß

Und drauf die neue Hölle etablieren.

SUFFIMENTUM.

Wo aber hin denn mit des Lichtes Reinfluß,

Um Dunkelheit dort einzuführen?

PRAKTINSKI.

Den leiten wir zur Erde ab, wie uns're Dünste.

Ich sorg' schon für des Lichtes Unterdrückung.

In Polytechniken hab' ich erlernt die Künste

Zur stromerschließend schnellen Ueberbrückung.[16]

RHAMPHASTUS.

Doch eine Menschenseele brauchen wir als Reiber,

Die die Versetzung uns vollführt.

Vorzüglich liefern sie der Frauen Leiber,

In die sie krafterhaltend enge eingeschnürt.

LEPIDANTHOS.

Ich weiß da einen wie mit Schuppen

Gepanzerten, in dem viel Fluidum sitzt,

So fest zwar, daß in seinen weichsten Gruppen

Kein Bläschen aus den Poren schwitzt.

Sie brütet Tag und Nacht ob dem Geheimen

In der Natur und steht der Liebe fern.

Die Seele würde Wunder keimen;

Mit ihr erbeuten wir den Stern.

PRAKTINSKI.

Faustine meinst du, jenen Zwitter,

Der nach Begattung heimlich sich doch sehnt

Und hinter der Versagung Eisengitter

In hoffnungslosem Kummer stöhnt!?

BOMBAX.

Das wär' die Rechte! – Trefflich unterrichtet

Seid ihr in allem, was der Satan braucht! –

Die werde von Praktinski rein gezüchtet,

Bis sie zu unsern Zwecken taugt.

Daß wir der Menschen nie entbehren können,

Wenn etwas Großes wir zu schaffen denken!

Der Himmel nutzt sie freilich auch;

Sonst bliebe er ein leerer Hauch.

VENTRICULUS.

Sie sind die Kräfte uns zum Brennen,

Das Material, uns Gluth zu schenken.

Ohn' sie kein Feuer in dem Haus;[17]

Und mit dem Kochen wär' es aus!

Wir wären geistig und auch körperlich

In uns'rer Abgeschiedenheit schon längst verlungert,

Erbarmten unserer sich Menschen nicht,

Die stündlich es nach neuen Freveln hungert.

Die Skala von dem Dolch bis zum Torpedo

Legt gegen Menschenliebe ein ihr grausam Veto.

PRAKTINSKI.

Doch wird uns der Erob'rungskrieg nicht schaden

Beim Weltenherrn? Wir stehen nicht in Gnaden

Bei ihm. Er schränkte unser Wirken lieber ein,

Als es verstärkt zu seh'n zu seiner Menschen Pein.

Ich hab' gewarnt; doch unterziehe ich mich gern

Dem Auftrag unsers Höllenherrn:

Das Licht der Welt in Strömen zu verprassen,

Um sie zuletzt in Finsterniß zu lassen.

Zu schaden ist so meine Lust,

Und träf' es auch die eig'ne Brust!

Nur wühlen, und verlör' dabei ich auch den Boden

Und stürzte hin, wo jedes Haltes Gränze! –

Die gier'ge Flamme dient zum Roden

Weit besser als des Todes Sense.

BOMBAX.

Vollkräft'gen Fluch senk' ich auf das Gelingen

Des Unternehmens, auf des Lichtes Mord;

Und wenn in ihm wir schmählich untergingen,

So spielten Menschen die Vernichterrolle fort.

Sie gönnen sich das Brod nicht, führen Kriege

Hart miteinander, selt'ner gegen Lüge.

Dies unser Trost bei einem schlechten Ende.

PRAKTINSKI.

Zur Erdenrinde auf schlüpf' ich behende.


Streckt zur Verabschiedung die Zunge hervor.
[18]

Die Tragödie: Faustine, der weibliche Faust.

Quelle:
Schäfer, Wilhelm: Faustine, der weibliche Faust. Tragödie in sechs Aufzügen nebst einem Vorspiel und Prolog, Zürich 1898, S. 14-20.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Vorschule der Ästhetik

Vorschule der Ästhetik

Jean Pauls - in der ihm eigenen Metaphorik verfasste - Poetologie widmet sich unter anderem seinen zwei Kernthemen, dem literarischen Humor und der Romantheorie. Der Autor betont den propädeutischen Charakter seines Textes, in dem er schreibt: »Wollte ich denn in der Vorschule etwas anderes sein als ein ästhetischer Vorschulmeister, welcher die Kunstjünger leidlich einübt und schulet für die eigentlichen Geschmacklehrer selber?«

418 Seiten, 19.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon