6. Auftritt.

[16] Striese. Gollwitz.


GOLLWITZ. Sie wünschen mich zu sprechen, Herr – –?

STRIESE. Striese, Emanuel Striese, ganz ergebenst aufzuwarten, Herr Professor.

GOLLWITZ. Und womit kann ich Ihnen dienen? Zum Sitzen einladend.

STRIESE sich setzend. Oh bitte ganz ergebenst, von »Dienen« kann gar keine Rede sein, Herr Professor. Ich wollte mir nur erlauben, mich vorzustellen. Ich bin der Theaterdirektor. Ich stehe eben im Begriffe, die hervorragenden Persönlichkeiten der hiesigen Stadt eigenhändig zum Abonnement einzuladen. Sie haben mir auch schon alle zugesagt. An den Fingern herzählend. Da ist einmal der Herr Amtsrichter – Stockt. – der Herr Amtsrichter kommt nämlich ganz gewiß – dann – Stockt. Also, wie gesagt, der Herr Amtsrichter – und dann – wären neben dem Herrn Amtsrichter noch drei sehr schöne Sitze, die ich eigens für den Herrn Professor und die werte Familie reserviert habe –

GOLLWITZ. Es tut mir wirklich leid, aber wir gehen eigentlich nie ins Theater.

STRIESE. Bei mir werden Sie eine Ausnahme ma chen, und Sie werden's nicht zu bereuen haben. Da ist zum Beispiel gleich unsere Eröffnungs-Vorstellung »Hasemanns Töchter« von L'Arronge, das geht wie geschmiert; wir spielens ohne Souffleur.

GOLLWITZ. Wahrhaftig?

STRIESE. Das ist eine virtuose Leistung, besonders von mir und meiner Frau; uns beide können Sie mitten in der Nacht aufwecken, so spielen wir »Hasemanns Töchter« und was mein[17] übriges Personal anbelangt, so kann ich mir wohl ohne Uebertreibung schmeicheln, es sind Künstler dabei – alle Hochachtung! Mein erster Liebhaber zum Beispiel, der ist aus einem sehr feinen Haus entsprungen: wenn Sie den sehen, glauben Sie, Sie haben einen Prinzen vor sich.

GOLLWITZ gelangweilt. So, so!

STRIESE. Sehen Sie, das ist überhaupt sozusagen eine Spezialität von mir, junge Talente ausfindig zu machen. Ebenso ist es mit den Herren Autoren! – bei mir sind eine ganze Menge Stücke zuerst auf die Bühne gekommen, – die jetzt in allen Hoftheatern gegeben werden. Da war erst neulich in Königsroda ein höherer Beamter, der mir sein Erstlingswerk anvertraut hat.

GOLLWITZ. Nun, und Sie haben es aufgeführt?

STRIESE. Freilich! Und gefallen hat's – gefallen – – ich kann Ihnen nur sagen, Herr Professor, sechs ausverkaufte Häuser haben wir damit gemacht. Meine Frau hat die Hauptrolle gespielt, davon sprechen die Leute heute noch in Königsroda. Uebel ist den Leuten geworden – so voll war's; und jetzt geht das Stück über alle Bühnen. Der Verfasser hat ein heidenmäßiges Geld damit verdient. Er schreibt schon ein zweites.

GOLLWITZ. In der Tat?

STRIESE. Wie ich Ihnen sage. Aber nun, Herr Professor, will ich Sie nicht länger aufhalten. Steht auf.

GOLLWITZ hält Striese zurück. Aber ganz und gar nicht, lieber Direktor, erzählen Sie nur weiter.

STRIESE. Nee, nee, ich habe schon viel zu lange gestört, und da Sie sich ja eigentlich gar nicht für das Theater interessieren –[18]

GOLLWITZ. Nun – vielleicht doch. Ich habe nämlich – einen Freund, der auch ein Stück geschrieben hat.

STRIESE. Ist es die Möglichkeit! Beiseite. Beißt schon an.

GOLLWITZ. Ich habe das Manuskript zufällig hier liegen Zeigt auf den Schreibtisch. – es ist eine Römertragödie.

STRIESE. Herrjeses, Herr Professor, das wäre so etwas für mein Theater. Die römischen Tragödien, auf die sind wir nämlich eingefuchst. Könnte ich nicht vielleicht einmal einen Blick – Greift nach dem Manuskript.

GOLLWITZ hält das Manuskript zurück. Ja, ich weiß wirklich nicht –

STRIESE. Auf mich können Sie sich verlassen, ich bin verschwiegen, sagen Sie mir wenigstens, wie das Stück heißt.

GOLLWITZ. »Der Raub der Sabinerinnen«.

STRIESE. »Der Raub der Sabinerinnen«. – Ei verflixt – das ist ein ganz kolossaler Titel.

GOLLWITZ. Meinen Sie?

STRIESE. Na, ob und wie. Das sehe ich schon so gedruckt auf dem Theaterzettel. »Der Raub der Sabinerinnen«. Da werden die Leute stürzen, denn das ist was fürs Publikum! Da seh' ich den Amtsrichter schon sitzen – – – Das Stück müssen Sie mich lesen lassen, ich nehme es gleich mit, morgen früh haben Sie es wieder.[19]

GOLLWITZ. Lieber Direktor, das geht nicht! – Das Stück gehört nicht mir, ich darf es nicht aus der Hand geben.

STRIESE. Schön, Herr Professor, darüber werden wir uns auch nicht streiten, da lese ich es gleich hier, – das heißt, mit Ihrer gütigen Erlaubnis.

GOLLWITZ. Aber –

STRIESE. Nee, nee, da gibt's nun gar kein Gefize mehr, ich setze mich da ganz still in ein Eckchen, in einem halben Stündchen habe ich es ausgelesen.


Quelle:
Franz und Paul von Schönthan: Der Raub der Sabinerinnen. Berlin 10[o.J.], S. 16-20.
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