3. Auftritt.

[79] Gollwitz. Striese. Sterneck.


GOLLWITZ. Aber Direktor, um Gottes willen, was gibt es denn? Ist etwa die Vorstellung abgesagt?

STRIESE mit langem, bis ungefähr an die Knöchel reichenden Paletot, sogenanntem Kaisermantel, bekleidet. Abgesagt? Wo denken Sie denn hin? Das Haus ist ja ausverkauft. Sogar eine pensionierte Hofdame hat allerhöchsten Besuch zugesagt. Es wird großartig werden.

GOLLWITZ. Ach, wenn es nur erst vorüber wäre. – Ich habe eine Angst, ich bin gar kein Mensch mehr.

STRIESE. Ei ja, freilich, Herr Professor, – das glaube ich gern, um so größer wird nachher auch die Freude sein, wenn wir den Bombenerfolg hinter uns haben.

GOLLWITZ. Ja, aber Striese, es ist schon ein viertel sieben. – Sie kommen im ersten Akt, werden Sie denn noch mit dem Kostümieren fertig werden?

STRIESE. Da seien Sie nur ganz außer Sorge. Jetzt stehe ich noch da in meinem Zivilmantel, wie Sie sehen – und in einer halben Stunde können Sie mich schon auf der Bühne erblicken als König Titus Tatius. Das geht bei mir wie ein Donnerwetter: – rauf mit die Trikots – rein in die Tunika – und der Sabinerkönig ist fertig.[79]

GOLLWITZ dringend. Aber was wollen Sie denn jetzt hier?

STRIESE. Nun, Herr Professor, es handelt sich um die verwetterte Rolle von der Sklavin Tullia.

GOLLWITZ. Aber die habe ich ja schon für ihren kleinen Jungen, den Gottlieb umgeschrieben.

STRIESE. Freilich, aber jetzt ist es meiner Frau eben im letzten Augenblick eingefallen, daß der Junge, der Gottlieb, gerade in derselben Szene das große Kampfgetöse hinter den Kulissen übernehmen muß, weil wir doch sonst niemand mehr dafür haben.

GOLLWITZ. Was machen wir denn dann?

STRIESE. Nun, nun, seien Sie nur nicht gleich verzweifelt; meine Frau hat schon wieder einen Ausweg gefunden. An den Fingern abzählend. Sehen Sie, eine Frauenrolle kann die Tullia nicht sein, weil wir kein Frauenzimmer mehr übrig haben, – eine Männerrolle soll es nicht sein, weil Sie als Autor dagegen sind, – eine Kinderrolle darf es auch nicht sein, weil mein Gottlieb das Kampfgetöse macht, – bleibt also nichts übrig, als daß wir die ganze Rolle in einen Brief zusammenziehen.

GOLLWITZ. Was, in einen Brief?

STRIESE. Ja, den Brief kann dann ein stummer Bote dem Markus auf der Bühne überreichen.

STERNECK. Erlauben Sie, meine Herren, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß wir auch keinen stummen Boten haben, der mir den Brief bringen kann.[80]

STRIESE. Nu, Herrjeses, was ist denn da weiter dabei, die jungen Leute wissen sich auch gar nicht zu helfen. Wenn Ihnen der Brief nicht gebracht werden kann, dann müssen Sie ihn eben auf der Bühne finden. Die Szene spielt doch in einem Wald, nicht wahr? Nun, da legen wir doch den Brief so wie ganz zufällig auf einen Baumstumpf.

GOLLWITZ jammernd. Mensch, Mensch, das geht ja nicht, wir werden ausgelacht.

STRIESE. Seien Sie so gut, Herr Professor. Da haben wir schon ganz andere Sachen zuwege gebracht. Schreiben Sie nur jetzt schnell den Brief, es ist die höchste Zeit, das andere wird sich schon finden.

GOLLWITZ. Nun, meinetwegen, machen Sie mit mir was Sie wollen, ich bin auf alles gefaßt. Im Abgehen nach rechts vorn, jammernd. Wenn ich mich mit der Sache doch gar nicht eingelassen hätte.

STRIESE mit Gollwitz abgehend. Warten Sie nur einen Augenblick, lieber Sterneck, ich bringe Ihnen gleich den Brief. Nee, so ein Dichter, so ein Dichter! Ab.


Quelle:
Franz und Paul von Schönthan: Der Raub der Sabinerinnen. Berlin 10[o.J.], S. 79-81.
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