6. Auftritt.

[127] Vorige. Groß.


GROSS durch die Mitte. So, da bin ich, liebe Freunde.

GOLLWITZ ärgerlich. Ach du mein Gott. Packt eifrig und unordentlich seinen Koffer.

GROSS nach der Uhr sehend. Der Zug geht in einer Stunde. Wenn wir uns also beeilen, können wir noch alles besprechen.

FRIEDERIKE ärgerlich beiseite. Was will denn der wieder hier? Wickelt die Gegenstände, die ihr Marianne reicht, in Zeitungspapier und packt eifrig.[127]

GROSS. Sie haben mich wohl schon mit Sehnsucht erwartet?

GOLLWITZ ungeduldig. Nun – das heißt – eigentlich –

GROSS. Ja, Herzensprofessor, ich habe nicht früher kommen können. Striese war erst in diesem Augenblick bei mir und hat mir gesagt, daß hier alles in Ordnung wäre.

FRIEDERIKE. Aber verehrter Herr, Sie sehen – wir sind beschäftigt.

GROSS. Ach so, Sie packen schon. Bitte, lassen Sie sich durch mich nicht stören. Ich kann Ihnen sogar ein bißchen helfen. Darauf verstehe ich mich. Nimmt einen ausgestopften Vogel, der auf dem Schreibtisch steht, wickelt ihn in mehrere Blätter Zeitungspapier, die er aus dem Papierkorb nimmt.

GOLLWITZ zu Groß, ungeduldig. Dürfte ich vielleicht fragen, was Sie eigentlich zu uns führt?

GROSS lachend. Was mich zu Ihnen führt? Nun, hören Sie doch den Professor an, meine Damen. Fragt mich ganz fremd, was mich hierher führt. Geht, den Vogel einwickelnd, zum Tisch rechts. Aber Professorchen, wie kann man denn nur so zerstreut sein. Sie wissen doch, daß es sich um meinen Sohn handelt.

GOLLWITZ verzweifelt. Schon wieder der ungeratene Emil.

GROSS. Ach, warum nicht gar. Ungeraten? Mein Emil ist der beste Junge der Welt. Legt den Vogel in den Koffer und nimmt von dem Tische rechts vorn die Zuckerdose des dortstehenden Teeservices, die er ein Zeitungsblatt einwickelt. Im Vertrauen gesagt, ich glaube, die Liebe hat ihn so verändert. Meinen Sie nicht?[128]

GOLLWITZ ungeduldig. Das ist schon möglich.

GROSS. Sie werden Ihre Freude an ihm haben. Und Sie auch, gnädige Frau. Geht nach links. Wenn der erst verheiratet ist, das wird der solideste Ehemann von der Welt. – Legt die Zuckerdose in den Korb links vorn. Und ein Herz hat der Junge. Nimmt eine Schlummerrolle vom Lehnstuhl. Sie glauben gar nicht, wie er Ihre ganze Familie achtet und schätzt. Will die Schlummerrolle in den Korb legen.

FRIEDERIKE abwehrend. Aber was machen Sie denn da?

GROSS. Ach so, das nehmen Sie nicht mit? Legt die Schlummerrolle wieder auf den Stuhl. Und was die pekuniären Verhältnisse anbelangt, so können Sie ganz beruhigt sein. Ich nehme ihn jetzt als Kompagnon in mein Geschäft. Er hat sein gutes Auskommen, und wenn ich einmal nicht mehr bin, gehört alles ihm.

GOLLWITZ. Aber das interessirt uns ja gar nicht!

GROSS schüttelt Gollwitz die Hand. Braver Mann. Noble Gesinnung. Hab's Ihnen aber gleich auf den ersten Blick angesehen. – Gleich damals im Reichshallentheater habe ich mir gesagt: Das ist ein Ehrenmann. Zu Friederike. Aber mein Junge denkt gerade so. Er nimmt das Mädel, wie sie geht und steht; ohne einen Groschen.

FRIEDERIKE ironisch. Das ist sehr edel von ihm.

GROSS. Nicht wahr? Kinder, das wird einmal eine vergnügte Hochzeit werden. Frau Professor, wir tanzen miteinander den ersten Walzer.[129]

FRIEDERIKE. Walzer tanzen?

GROSS zu Gollwitz. Und Sie sprechen die Tischrede.

GOLLWITZ verzweifelt. Tischrede? Nein, nun halte ich es nicht mehr aus.

GROSS. Ich auch nicht, lieber Freund. Und die Kinder wollen wir nicht länger zappeln lassen. Wo ist denn das glückliche Brautpaar?


Quelle:
Franz und Paul von Schönthan: Der Raub der Sabinerinnen. Berlin 10[o.J.], S. 127-130.
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