1.

[3] Urahnherr der Germanen ist Tuisko, Sohn der Erde, sagt Tacitus. – Von der Erde geboren kehrt der Germane wieder zur Mutter Erde im Tode zurück; der Schoß, dem er entsprungen, nimmt ihn wieder auf. Daher hatte der Tod, obpf. Dáud, goth. dáuthus, ursprünglich für den germanischen Heiden keine schreckliche Seite, so lange er seines Glaubens bewußt geblieben ist, wie auch der Christ leicht stirbt, wenn er glaubt, daß er zum Vater im Himmel gehen wird. Aber die Gewohnheit des Lebens ist eine süsse, dem Heiden wie dem Christen, wenn beyde das Gedächtniß ihres Ursprunges verloren haben und sie ohne die höhere Kraft, welche der Glaube gibt, dem Grauen der Natur vor[3] der Vernichtung, dem Ende des zeitlichen Seyns, Nichts entgegensetzen können als den vergeblichen Kampf um das geliebte Leben. So wurde dem heidnischen Germanen später, als die treue Anhänglichkeit an seine Götter allgemach erschlaffte und gerade darin für die Lehre des Christentumes der Boden vorbereitet wurde, aus der liebenden Mutter, der Erdengöttin, das grausame Weib, welches gleich dem Saturn unersättlich die Kinder frißt, denen sie das Leben gegeben.

Die Erde ist also die eigentliche Todesgöttin, zugleich die Hel, Göttin der Unterwelt, im düsteren Aufenthalte, welche ihre Diener, Tod und Pest, aussendet, die Erdensöhne zu ihr zurückzuführen. Als Bote der mächtigen Göttin trägt der Tod den Stab und verkündet er den Menschen das unwiderstehliche Gebot der Gebieterin, mit ihm hinabzusteigen zu jener Stätte, in welche kein belebender Lichtstrahl eindringt. Darum fährt auch der Mensch zur Grube, wenn er stirbt.

Wurde nun die Herrin zum wahren Scheusal, so kann ihr Diener es nicht besser haben wollen; auch er sank zum grausamen, grauenvollen Wesen herab. Wenn dagegen die Märchen seine Gestalt und sein Thun in milderem Licht erscheinen lassen, so liegt diesem ältere Auffassung zu Grunde und das Volk wollte an dessen Gepräge um so minder ändern, als es den Teufel doch mehr als den Tod fürchtet. Auch möchte es den persönlichen Tod gerne auf dieselbe Stufe hinabbringen, wie den Teufel und den Riesen, und in ein überlistendes[4] Verhältniß zu ihm treten. Doch dieses gelingt höchstens nur für gewisse Zeit: am Ende ist es doch der Tod, der den Sieg davonträgt. Hans Sachs in seinen Dichtungen hat wohl zumeist nur oberpfälzischem Munde entlehnt.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 3, Augsburg 1857/58/59, S. 3-5.
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