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[183] Das Kind liegt die ganze Zeit in der Wiege; je mehr es schläft, desto braver ist es; damit es aber ja recht viel schlafe, wird es fleissig gewiegt, von der[183] Bäuerin oder einem kleineren Kinde, bis es von der schaukelnden Bewegung betäubt die Augen schließt.

Will es aber durchaus nicht ruhen, zum großen Leidwesen der beschäftigten Mutter, so wird es in ein Kissen eingebüschelt und herumgetragen, wo möglich aber auch da in wiegender Bewegung erhalten.

Die Sorge des Kindes bey Tag und bey Nacht ist ganz der Mutter überlassen, selbst während des Essens, wo das Kind in der Wiege zur Rechten der Mutter am Tische kommt. Nachts steht die Wiege am Bette der Mutter, etwa um einen Schritt entfernt, und ein Tuchende geht davon zur Mutter hinauf, damit sie das Kind, wenn es unruhig wird, wiegen könne.

So lange das Kind die Augen auf hat, steckt ihm der Schnuller im Munde; sein Trunk ist gesottene Milch, seine übrige Nahrung der bekannte Kindsbrey.

Mit Einem Jahre wird das Kind entwöhnt von der Mutter. An dem Tage, wo dieses geschieht, gehen Vater und Mutter zur Danksagung auf die Bergkirche, um Gebet und Opfer darzubringen.

Ist das Kind zwey Jahre alt, so hört auch das Wie gen auf, und es wechselt Laufen mit Tragen; nun hat das Kind auch das rothe Rockerl an. Bärnau.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 1, Augsburg 1857/58/59, S. 183-184.
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