§. 1. Deutschen Geistes Wiederkehr.

[3] Es geht zur Zeit ein eigentümlicher Geist durch alle Deutschen Gauen: der Deutsche kehrt aus der Fremde zurück in sein eigen Haus und schaut sich um wie es bestellt ist und findet, daß gar gut drin wohnen sey. Was er mißachtet hat, lernt er schätzen, was er in den Winkel gestellt, kehrt er hervor und besieht es und erkennt mit Erstaunen, welchen Schatz er vor sich verborgen hatte.

Es weht eine frische heimatliche Luft im weiten Deutschen Vaterlande: die Strömung, welche so lange nach auswärts sich gezogen, wendet um und bewegt sich dahin, von wo sie ausgegangen. Ist es dem harmlosen Geiste etwa draußen unheimlich geworden, daß er sich wieder zurücksehnt nach den Tagen seiner Kindheit und Mannheit, nach den glanzvollen Zeiten der Vergangenheit, wo Er Geschichte gemacht, nach der Wiege, aus der so viel Großes, was die Neuzeit noch aufzuweisen hat, hervorgegangen ist? Ist vielleicht seine Harmlosigkeit draußen[3] im fremden Lande mißbraucht worden, und die Sehnsucht nach Hause aus getäuschten Hoffnungen herausgewachsen oder verzweifelt er, daß er es je über seines Vaterlandes Gränzen zur Geltung bringen könnte, er, der Enkel jener Deutschen, welche die Römische Weltherrschaft umgeworfen und sich auf den Thron der Cäsaren gesetzt haben?

Gewiß ist es nicht das Aufflackern des erlöschenden Lämpchens, in welchem die Niederlage Deutschen Wesens zum letztenmale sich zeigen will. Der ist kein Freund des Vaterlandes, so am Vaterlande verzweifelt. Wer sich aufgibt ist aufgegeben. So wollen wir hoffen! Was der Sonne im Frühjahre nur nach Wochen gelingt, die Eisdecke von der Erde zu heben, bewirkt ein laues Windchen oft in wenigen Tagen.

Seit uns Grimm, ein anderer Prometheus, das Licht auf Deutschem Herde wieder angezündet, brennt es auf allen Feuerstätten Deutscher Heimat. Er hat zugleich uns die Binde von den Augen gezogen, die uns fremde Sprache, fremde Sitte, fremde Natur umgebunden, damit der Riese ja nicht sehe, wie groß er sey und wie gewaltig. Ebenbürtig steht nun Deutsche Sprache neben den klassischen Sprachen, befreyt ist sie aus der Knechtschaft, in der sie als dienende Magd geschmachtet, von den klassischen Philologen mißhandelt war. In der Deutschen Alterthumskunde ist eine neue Wissenschaft gegründet, welche kräftig Wurzel schlägt, zum Trotze jenen Gelehrten, welchen der unbedeutendste griechische Name, das letzte griechische Nest höher gilt als ein Sachsenkaiser oder Köln am Rhein. Selbst des Volkes Sitte wird[4] hervorgezogen unter der Decke einer gegebenen Ordnung, welche niemals im Volke naturgemäß sich entwickeln kann, weil sie auf dessen Natur nicht Bedacht nahm. Vaterländische Altertumsvereine, Zeitschriften, Sammlungen, Abhandlungen und Werke über Deutsches Seyn und Wesen brechen überall hervor; es ist derselbe Geist, der lange zurückgehalten, mit um so größerer Kraft die Fesseln sprengt, je enger sie die Klassizität gezogen hatte. Es ist das Bewußtseyn dessen, was Deutschland war: es ist wieder Deutscher Geist, der uns erfaßt, der uns als Deutsche wieder fühlen, wills Gott auch handeln lehrt, und in der Pflege Germanischer Studien ab Seite der Regierungen seine Nahrung findet.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 1, Augsburg 1857/58/59, S. 3-5.
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