2.

[366] Doch ist dafür gesorgt, daß man zum Anblick der Hexe gelange.

Wer in der Christnacht während der Metten auf einen Schämmel von neunerley Holz kniet, sieht alle Hexen, die Milchmeltern auf dem Kopfe. Dieser Glaube geht durch die ganze Oberpfalz, bis hoch hinauf in Oberfranken. Unter der Wandlung müssen nämlich die Hexen dem Altare den Rücken kehren, und man sieht ihnen ins Gesicht. Ein solcher hat aber zu eilen, daß er vor dem Agnus Dei aus der Kirche und vor dem Segen zu Hause ist; wenn ihn die Hexen vor der Kirche treffen, wird er von ihnen zerrissen.

So man ferner an einem Sonntage einen Agn-Nagel, Eggennagel, auf einem Kreuzwege findet und ihn am nächsten Sonntage in die Kirche mitbringt, ehe der Priester noch den Segen gegeben, sieht man nach dem Segen alle Hexen, die in der Kirche anwesend sind, das Gesicht gegen die Thüre kehren. Neumarkt.

Trägt man am Antlaßtage einen Kranz von Krodlkraut in der Hand, so erkennt man die Hexen. Waldmünchen.

Wenn eine am Walpern-Abend kommt, etwas zu entleihen, das zum Vieh oder zum Milchgeschirr gehört,[366] ist sie sicher eine Hexe, besonders wenn sie öfter an diesem Tage kommt. Man fordert daher Tags zuvor Alles zurück, was man ausgeliehen hat. Amberg.

Am Morgen dieses Tages setzt sich die Bäuerin auf ein Melkstühlerl von neunerley Holz, in dieser Nacht gemacht, so sieht sie die Hexe, wenn sie kommt, den Nutzen zu nehmen, Oberviechtach; oder sie nimmt, wenn der Hüter austreibt, dasselbe auf den Kopf, und sieht so alle Hexen des Ortes, ohne selbst von ihnen gesehen zu werden. Waldmünchen.

Die Bäuerin mit dem Ey in der Tasche, welches das erstgelegte einer schwarzen Henne ist, sieht unter die Herde tretend die Hexe, welche den Kühen die Milch nimmt. Tiefenbach.

Weiber oder Dirnen, welche nackt in dieser Nacht im Stalle wachen und früh am Morgen auf den Wiesen Kräuter und auf dem Düngerhaufen Reiser suchen, sind Hexen. Tiefenbach.

Eine Hexe hört Alles, was man von ihr spricht; man darf sie nicht bey Namen nennen, sonst kömmt sie, ausser man setzt bey: »Saudreck vor die Ohren, daß mich die Hexe nicht hört!« Amberg.

Wo die Hexe auf Arbeit gegangen ist, stellt man ihr den Besen verkehrt auf den Stiel unter die Thüre; so lange der Besen in dieser Weise steht, kann die Hexe drinnen nicht mehr vom Platze. Bärnau.

Es ist merkwürdig, daß, wer die Hexen sehen will, auf einem Stuhl oder Schämmel aus neunerley Holz sitzen oder knieen muß. Die Stühle der Landleute haben[367] nur drey Beine: es könnte also hierunter ein Dreyfuß, der nordische Zauberstuhl, Seidhiallr, verborgen seyn.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 1, Augsburg 1857/58/59, S. 366-368.
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