9.

[378] In einem Orte waren zwey Bauern, die Anfangs ziemlich gleich in ihrem Vermögen standen; später ward der eine reich, der andere verarmte.

Einmal war eine Nachbarin bey der reichen Bäuerin auf Besuch; während des Gespräches frug jene, wie es denn komme, daß sie gar so reich werde. »Ja,« sagte die Bäuerin, »wenn der Nachbar, es war der arme Bauer, Dum ausfährt, so krieche ich als Kröte hinter den Mistwagen, nehme drey Mäuler voll Dum und trage sie auf meinen Düngerhaufen, so wird mir der Nutzen des Nachbarn.«

»Wenn sie dich aber nun einmal stechen?« meynte die Nachbarin.

»Das thut nichts,« erwiederte die Bäuerin, »wenn sie mich nur nicht mit dem mittleren Kiel oder Zinken der Mistgabel stechen.«

Da trat gerade die arme Nachbarin ein und hörte die letzten Worte noch; sie ging hinaus, ohne etwas zu sagen, und hinterbrachte das Gehörte ihrem Manne.

Der führt wieder Dum aus, sieht den Brotzen, und spießt ihn mit der mittleren Zinke. Zur selben Zeit war die reiche Bäuerin des jähen Todes verstorben. Tiefenbach.

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Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 1, Augsburg 1857/58/59, S. 378.
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