5.

[121] Im Nordischen heißt Hochzeit Brautlauf; es war das Eilen mit der Braut nach des Gatten Hause. Denn es galt damals als Heldenthat, sich die Braut zu rauben, besonders in gewaltthätigen Zeiten, und da schonte der Räuber selbst des Andern schöner Braut nicht. Der Bräutigam sah sich daher gezwungen, durch eine bewaffnete Schaar aus seinen Freunden die Braut holen zu lassen; es waren die Brautmänner, an ihrer Spitze der Brautführer: sie geleiteten zugleich den Wagen, auf den die Aussteuer der Tochter geladen war, die Verwandten der Braut schlossen sich der Fahrt an. – Noch besteht in der Oberpfalz die Sitte, daß die Braut unter dem Schutze von, mit einem Degen bewaffneten Brautführern, Beyständern steht: sie dürfen die Braut nicht stehlen lassen, sonst zahlen sie das Wergeld, Buße; erst nach dem Hochzeitmahle, nach dem Abdanken, geht die Braut in die Gewalt des Bräutigams über. Wenn auch sonst das Schwert Zeichen der Gerichtsherrlichkeit ist, so möchte diese Anschauung hier, wo es größtentheils nur zum Schutze der Braut getragen wird, mehr in den Hintergrund treten. Wohl deutet das Schlagen mit dem Degen, welches die Braut erleidet, und zwar nur in der Kirche oder im Festsaale, auf deren Uebergang in die Vormundschaft des Bräutigams. Die Hauptsache des bewaffneten Brautführers ist aber doch in der Beschützung der Braut gelegen. –[121] In dem Wagen mit der Aussteuer erkennen wir den Kammerwagen. Das Auswerfen von Geld auf dem Wege zu und von der Kirche ab Seite des Brautpaares, das Herabwerfen der Kücheln vom Kammerwagen deuten auf ein Lösen, ein Erkaufen des Friedens in unruhiger Zeit.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 1, Augsburg 1857/58/59, S. 121-122.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Aus der Oberpfalz
Aus der Oberpfalz: Sitten und Sagen
Das Schönwerth-Lesebuch. Volkskundliches aus der Oberpfalz im 19. Jahrhundert
Sagen und Märchen aus der Oberpfalz
Sitten und Sagen aus der Oberpfalz: Aus dem Volksleben