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[377] Auch über dem Fichtelgebirge hinaus sind die Holzfräulein zu Hause. So wurde mir aus Münchberg Folgendes:

Früher waren in der waldigen Gegend die Holzfräulein einheimisch; seit aber die Bauern unterlassen, beym Fällen der Bäume drey Kreuze auf den Stamm zu schlagen, sind sie durch das wilde Heer ganz verwüstet worden.

Man hatte sie dort sehr gerne, denn welchem Menschen das Holzfral etwas gab, der wurde gewiß glücklich in seinem Leben; die Mütter prägten daher schon den Kindern ein, ja einer Hulzfral, wenn sie komme, nichts zu Leide zu thun. Und die kleinen Geschöpfe gingen gar gerne mit den Menschen um, kamen zu ihnen auf Besuch, redeten wie Menschen, setzten sich mit an den[377] Tisch. Daher wurde auch immer von der Bäuerin für sie gesorgt, mit Essen: noch jetzt geht das Sprichwort, daß, was bey Tische übrig bleibt, für die Holzfräulein aufgehoben wird.

Sie waren wie Menschen beschaffen, lebten in der ungeheuren »Walding,« welche die ganze Fläche dort bedeckte – denn seit fünfzig Jahren ist es sehr licht dort geworden – und spannen das Muus-Moos von den Bäumen.

Wenn die Leute auf der Wiese Heu machten, liessen sie immer einen Theil zurück, thaten ihn unter einen kleinen Busch, drückten mit der Hand, wie segnend, drey Kreuze darauf und beteten dann drey Vaterunser, damit den Holzfräulein das wilde Heer nicht ankönne.

»Mutter,« sagte der Knabe zur Mutter, welche eben ein Brüderchen säugte, »du hast gerade solche Saugerln, wie das Hulzfral: ich habe sie gesehen im Walde Brand, wie sie um einen faulen Stock herumposselte, um Ameisen-Eyer zu suchen; als sie mich bemerkte, ist sie fortgelaufen in den Wald Oeberst, und da hat der ganze Leib gewackelt voll lauter Haare, denn sie hatte kein Kleid an und war ganz haarig, so groß wie ich.«

Einmal hat das Hulzfral lange mit den Bauern geredet: da ist sie gegangen mit den Worten: »Alles habe ich euch gesagt, nur nicht, wofür das Moos auf dem Dache gut ist.«

Ein Mädchen hütete die Schafe, da kam auch das Waldfral und sagte zu ihr: »Deine Mutter bäckt heute Brod, sage ihr, sie solle mir einen Kuchen mitbacken.«[378] Das Mädchen ging heim und hinterbrachte es der Mutter und erhielt den Kuchen. Das Hulzfral nahm ihn freundlich an, höhlte ihn aus und that Steinchen hinein, und gab ihn dem Kinde zurück. Zu Hause fand die Mutter statt der Steinchen lauter Goldstücke.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 2, Augsburg 1857/58/59, S. 377-379.
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