§. 36. Amberg.

[386] Auf dem Grade des Berges, an dessen Fusse Amberg liegt, hinter der Wallfahrtskirche »Mariahilf« befindet sich eine muldenförmige Haide, größtentheils von Wald umschlossen, die Hollerwiese genannt. Läßt man einen Stein auf sie fallen, so hohleint es, gibt einen Ton, wie wenn unten alles hohl wäre. Von diesem hohlernden Tone soll sie auch den Namen haben. Indessen weisen die Sagen von der verwunschenen Jungfrau, welche hier haust, auf den Dienst der Freyja, und es möchte daher Hollerwiese aus Huldawiese verunstaltet seyn.

Auf diesem Platze stand nach alter Sage ein Schloß, welches zuletzt von zwey Jungfrauen bewohnt war, so reich, daß sie das Geld in Metzen massen. Sie kamen zuletzt überein, ihren gemeinsamen Reichtum zu theilen. Nun war die eine davon blind, und sah[386] nicht, daß die andere beym Abmessen sie betrog, indem sie für sich den Metzen hoch anhäufte, für die Blinde umkehrte. Diese aber wollte sich doch überzeugen, ob ihr Recht geschehen sey, und griff mit den Händen um: da merkte sie, daß ihr Theil gegen den ihrer Schwester sehr klein sey, und entbrannte in Zorn, und verwünschte das Schloß, daß es versank.

Nach Anderen waren es drey Schwestern, die Töchter des Burgpflegers, welche den Untergang der Burg durch ihren Fluch veranlaßten.

Diese Stelle ist noch jetzt öde und unfruchtbar: nichts wächst auf ihr, denn sie ist verflucht. Maulwurfshügel, welche rings auffuhren, bezeichnen die ehemaligen Ringmauern. Man grub schon nach und kam an die Zinne des Schloßthurmes: weiter unten aber zeigte sich Wasser. – Nach Anderen fand man nur neue Ziegel, wieder nach Anderen soll, wenn man tiefer gräbt, keine Pickel und Haue mehr gehen, sondern jeder Schlag abprallen. – Die gewöhnliche Meynung aber ist die, daß das Schloß mit seiner höchsten Spitze an die Oberfläche stosse, und ein Hahn vermöchte es, die Spitze durch Aufscharren der Erde bloß zu legen.

Vom Untergange des Schlosses geht aber noch eine andere Sage. – Der letzte Besitzer war ein Raubritter, der den Landleuten die Aerndte hinwegnahm, und weit und breit Schrecken verbreitete. Ihm war eine schöne Tochter erwachsen, frommen Gemütes, welche in seiner Abwesenheit den Beraubten Gutes that, um das Unrecht zu sühnen, und den Vater selber gar oft eindringlich[387] bat, seinem wüsten Treiben ein Ende zu machen, da ihn sonst des Himmels Rache treffen würde. Der Ritter aber blieb verstockt. Da überzog den Himmel einmal ein furchtbares Gewitter, welches den Tag zur Nacht machte, und am Morgen sah man nur die Stätte, wo das Schloß gestanden. Es war versunken.

Seitdem sieht man eine Jungfrau in weissem Schleyer auf einem Steine dort sitzen und betrübten Blickes den Vorübergehenden winken. Doch Niemand nähert sich: denn ihr zur Seite hält ein schwarzer Hund mit feurigen Augen, im feuerspeyenden Rachen den goldenen Schlüssel, welcher Demjenigen die Schätze der versunkenen Burg öffnet, der Muth genug besässe, ihm den Schlüssel aus dem Rachen zu nehmen. Regelmässig zeigt sich die Jungfrau am Sonnwend-Abende.

Hinter der Wiese ist der Schloß- oder Kräuterbrunnen, in Stein gefaßt.

Auf den Einfassungsmauern sieht man zu heiligen Zeiten zwey Geister sitzen, Mann und Weib, Gesicht und Kleider wie von Birkenrinde: es sollen die Hirtenleute des wilden Ritters gewesen seyn, und diesem zu seinen Frevelthaten geholfen haben. Sie winken den Vorübergehenden und begleiten diese oft durch den neuen Baumgang bis zum Lindenbrünnl, am Fusse des Verges, das Weib in jammernden Gebärden, daß man sie nicht anspricht. Nicht selten sieht man auch die Hirtin als Kröte die Stufen zur Kirche hinaufkriechen; doch jedesmal wird sie von den Wallfahrern wieder hinuntergeschleudert, so daß sie immer ihre Zeit versäumt; ihr[388] Mann dagegen ist der Hüamann, der im Walde: »hüa, hüa,« ruft, vielmehr im sogenannten Hohlwege. Am Brunnen sieht man auch eine grosse Heerde Schafe weiden, und aus dem Schlosse vernimmt man oft schöne Musik. – Der Brunnen heißt auch Knackabrünnl, und öfter kommt die weisse Frau, eine Butte mit glänzenden Goldreifen auf dem Rücken, um hier Wasser zu holen.

Eine Bäuerin von Raigering ging einst in der Christnacht hier vorbey, um aus der Stadt den Arzt zu holen. Sie wurde aber vom rechten Wege durch ein Licht zum Brunnen geführt. Da winkte ihr eine Jungfrau gar freundlich und führte sie durch eine Thüre neben dem Brunnen in den Berg, und in einen Saal, wo ein Ritter mit reichem Haare und fleischfarbenem Goller an einem Tische saß und sich auf sein Schwert lehnte: vor ihm stand eine Zofe mit ausgebreiteten Armen, wie wenn ihr der Teller, der auf dem Boden lag, so eben entfallen wäre. An einem anderen Tische sassen Ritter in dunklen Kleidern, aus grossen Humpen zechend; einer davon aber schlief im Stuhle, das Haupt in die Hand gelegt. Aus einem anstossenden düsteren Gemache vernahm sie männliche Klagetöne. Als die Jungfrau eintrat, kniete sie sich vor dem ersten Ritter in flehender Stellung nieder, und zeigte dann dem Weibe die Schätze. Doch diese konnte vor Schreck nicht reden und ging unverrichteter Dinge hinaus.

Ein Frevler ging auch einmal in den Berg, um Jungfrau und Schätze zu gewinnen: er ward nicht mehr gesehen.[389]

Würde ein Baum, hat einst die Jungfrau gesagt, der neben dem Brunnen steht, gefällt, und aus dem Holze eine Wiege gezimmert, so vermöchte das Kind, dem sie zu dienen hätte, die Gebannten zu erlösen.

Aus dem Schlosse gehen unterirdische Gänge unter der Vils durch zu dem heute zerstörten Schlosse Rosenberg; ein anderer in den St. Annaberg vor Sulzbach, ein dritter hinab zur Stadt bis an's Ziegelthor.

Zum Schlosse gehörte der Hammer im Thale an der Vils, das heutige Levinhaus in Amberg, nicht weit von der Gasse, »Eichenforst« genannt – denn hier stand einst lauter Wald – ferner Raigering und Neumühle.

Das Levinhaus soll das älteste Haus in Amberg, die nebenstehenden Häuschen an der Vils die Wohnungen der Hammerleute seyn. Der letzte Besitzer, ein harter Herr, hat jene zwey Töchter hinterlassen, wovon die Blinde auf der Neumühle ihren Sitz hatte, und die Vermögenstheilung vornehmen ließ; sie blieb daher gerettet, als auf ihren Fluch das Schloß auf dem Berge mit ihrer Schwester während eines fürchterlichen Gewitters versank.

Vor der Bergkirche steht noch eine Kapelle: da mußten die Schloßleute der Herrschaft warten, wenn sie aus dem Thale hinaufzogen, denn es war zu jener Zeit nicht sicher von Wegelagerern.

Im Levinhause befindet sich eine uralte gothische Kapelle, nach der Sage vom heiligen Wolfgang eingeweiht. Noch wird darin dreymal des Tages zum Gebete geläutet; oft auch erhielt die Glöcknerin, so sie[390] zu spät kam, von unsichtbarer Hand Ohrfeigen, oder es zeigt sich der Priester mit dem Weihwedel, in der Mitte zwischen den Stühlen durchgehend und links und rechts Weihwasser spendend; zuletzt schlägt er dem säumigen Diener den Wedel um den Kopf. – Ferner ist in der Kapelle ein eherner Kronleuchter, Geschenk des Erbauers, des Hammerbesitzers. Man hat ihn schon oft entfernt, immer kehrt er an seinen Ort zurück.

Wahrscheinlich ist, daß das Bergschloß einem Zweige der in der Geschichte berühmten Grafen von Ammerthal gehört, sowie daß Amberg im Gegensatze zu dem nahen Ammerthale eigentlich Ammerberg geheissen habe. Der Ammerbach, an welchem die Burg Ammerthal gelegen war, fließt hart an der Stadt in die Vils. Oertlichkeiten, deren Namen mit »Ammer« zusammengesetzt ist, finden sich in der Gegend häufig: so Ammersricht, im N.O. von Amberg, Amersricht, Amersberg, Amersbühl, westlich davon.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 2, Augsburg 1857/58/59, S. 386-391.
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