1021. Schlitzöhrchen.

[79] Mündlich.


Von der Saalnixe, welche unter dem Namen »Spitz- oder Schlitzöhrchen« den Bewohnern des nördlichen Frankens wohlbekannt ist, geht die Sage, daß sie im Saal- und Streugrunde, von Mellrichstadt bis nach Neustadt hinunter, wohl auch noch weiter den Thalgrund entlang, gesehen werde, indem sie neckisch und schadenfroh den Wanderer bald in dieser, bald in jener Truggestalt irrezuführen suche.

Einmal zog ein junger Mann Abends spät seines Weges entlang der Saale. Als der Mond aufgegangen war und der Wanderer ein Weilchen ausruhte, tauchte plötzlich die Saalnixe als ein junges, schönes Mägdlein aus dem Wasser empor und erweckte in ihm so große Liebesglut, daß er Alles vergaß und nur die holde Nixe zu erreichen strebte. Während er[79] ihr aber nachzog, war es Morgen geworden. Da verschwand sie plötzlich in den Fluten. Der irregeleitete Wandersmann erkannte zu spät, wie weit ihn die Nixe vom Wege abgeführt hatte.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 79-80.
Lizenz:
Kategorien: