130. Marienburg.

[128] Bei Abenberg. – Falkenstein Hochst. Eichstädt II., 377. Brunner ann. Boic III., 78. Vat. Mag. II., 71.


Stilla, Rapoto und Konrad, drei Kinder des edlen Grafen Wolfram II. von Abenberg, hatten jedes einen Wunsch. Erstere, daß die Kapelle, welche sie unfern Abenberg bauen ließ, und Letztere, daß das Kloster in Heilsbrunn, welches sie stiften halfen, bald vollendet dastehen möchte. Im Jahr 1152 wurde der Bau dieses Klosters beendigt und schon ein Jahr früher stand Stilla's Kapelle. Bischof Otto von Bamberg (aus dem Hause der Grafen von Andechs) weihete letztere zur Ehre St. Peters und erhielt von Stilla das Versprechen ewiger Keuschheit. Von nun an sah man Stilla täglich hinabgehen zum neuen Gotteshaus, ihre Andacht dort zu verrichten. Es wurde ihr so theuer, daß der Wunsch, auch noch ein[128] Kloster dort zu erbauen, in ihrer Seele entstand. Leider wurde dieser Wunsch zu Stilla's Lebzeiten nicht erfüllt. Die fromme Gräfin ging nie allein zu ihrem geliebten Andachtsort, sondern immer war sie, in frommer Rede sich unterhaltend, von ihren Kammerfrauen Gewehra, Widikuna und Winterbring geleitet. Einstmals verließ Stilla mit ihrem weiblichen Gefolge wieder die Kirche, ernst und wehmüthig gestimmt. Tod und Grab waren der traurige Inhalt ihrer Unterhaltung, in deren Lauf die Genossinnen den aufrichtigen Wunsch äußerten, daß Gott noch lange den Augenblick ferne halten möge, wo Stilla's irdische Hülle in dem von Rapoto und Konrad gestifteten Kloster ruhen würde. »In Heilsbrunn?« fragte Stilla, »das kann nicht geschehen,« und so gingen sie schweigend vollends den Burgberg hinauf. »Nicht wahr,« sprach Stilla, »ihr lieben Jungfrauen, ihr versprecht mir getreu und fest zu halten, um was ich euch jetzt bitten werde?« Feierlich gelobten die Mädchen, daß ihnen der Wille ihrer Gebieterin heilig sein werde. »Nun seht,« sprach jene und streifte den Handschuh von der schönen Hand – »nun seht, wohin jetzt die Winde diesen Handschuh tragen werden, dort und nur dort will ich einst begraben sein.« Und der über die Burgzinne hinausgestreckten Hand entflog der Handschuh. Wie eine weiße Taube wurde er von den Winden dahingetragen und sank bei der Kapelle nieder. »Ja, so sei es,« rief Stilla entzückt über die so heiß erflehte Erfüllung ihres innigen Wunsches, »dort, wo ich mir so oft Ruhe erflehte und Trost, dort in jener Kapelle will ich einstens ausruhen von diesem Leben und harren auf den Ruf des Herrn zur Ewigkeit. Daß dieser mein Wille erfüllt werde, darauf Freundinnen, darauf haltet eures Versprechens eingedenk, wenn euch meine Ruhe im Grabe lieb ist.« Stilla starb und ihre Leiche sollte, so beschlossen die Ihrigen, im Kloster zu Heilsbrunn beigesetzt werden. Da erinnerten sich Gewehra, Widikuna und Winterbring Stilla's Wunsches und ihres eigenen Versprechens. Jetzt unverzüglich baten sie um Gehör bei dem gräflichen Familienrathe, dem sie erzählten, was sie von Stilla gehört, von der Burgzinne aus gesehen und dort gelobt hatten, und baten ihn flehentlich, Stilla in ihrer Kapelle ruhen zu lassen. Darauf einzugehen war man nicht geneigt und doch trug man Bedenken, Stilla's letzten Willen zu verachten. Gott möge entscheiden, war der Beschluß. Jammernd und weinend standen des andern Tages am frühen Morgen die Armen der ganzen Umgegend vor der Burg Abenberg, erwartend die Leiche Stilla's, ihrer Wohlthäterin, welche von ihren treuen Freundinnen auf einen stattlichen Wagen gehoben wurde.[129] Mit zwei glänzend weißen Stieren wurde dieser bespannt, und wohin jene die Leiche bringen würden, da sollte sie begraben werden. Niemand dürfte, so war bedungen, die Thiere leiten oder antreiben. Kaum war die Leiche auf dem Wagen, so zog das Gespann und führte diesen langsamen Schrittes zur Kapelle hin, wo er stehen blieb. »Gott hat entschieden!« rief das Gefolge, und Stilla's Leichnam wurde nun der von ihr erbauten Kapelle übergeben. Still ruhte Stilla in der dunkeln Gruft, bei der mannigfache Wunder geschehen sein sollen, und welche eben deßwegen von zahlreichen Wallfahrten andächtiger Christen besucht worden ist. Bischof Raimbotto von Eichstädt weihte den Altar in der Kapelle zu Ehren der heiligen Stilla und Bischof Wilhelm von Reichenau erbaute 1488 an die Stelle der Kapelle ein Frauenkloster, Marienburg genannt, Augustinerordens. So wurde auch dieser im Leben oft gehegte Wunsch Stilla's erfüllt. Noch heutiges Tages, erzählt Falkenstein, sieht man ihr erhöhtes Grab linker Hand beim Eingang in die Klosterkirche.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 128-130.
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