214. Der Fürstenstreit.

[209] Von AndreasHaupt.


Herr Wigand von Redwitz, ein fröhlicher Herr,

Saß schmunzelnd und lachend bei'm Becher,

Er möchte wohl einen Gesellen mehr,

Der alte lustige Zecher.

Er hatte in Bamberg zwei Gäste zumal,

Die beschied er zu sich in den prunkenden Saal.


Das waren der Herr von Wittenberg,1

Und der Fürst von Würzburg am Maine.

Der eine ein kleiner und harmloser Zwerg,

Der and're ein Riese bei'm Weine.

Es kamen die beiden, der eine zum Scherz,

Der and're zu laben am Weine das Herz.


Sie waren vergnügt bei'm Würfelspiel,

Und sprachen vom Fürst und vom Reiche,

Sie spielten zur Kurzweil, und wagten nicht viel,

Und leerten manch' perlende Neige,

Und wer 'ne Niete nach Hause trug,

Mußt' leeren den Becher auf Einen Zug.
[209]

»Ja, ja,« hebt jener von Wittenberg an,

»Ihr Herrn, das muß ich Euch sagen

Und daß es wahr ist, da setz' ich daran

So viel, als Ihr beide mögt wagen.

Im Reiche ist manches höchst seltene Ding:

Doch acht' ich das Alles mit Recht gering.


Denn wollt Ihr von Allem das Seltenste seh'n –

Mein, sag' ich mit Stolz, ist es eigen –

So müßt Ihr, Ihr Herrn, nach Wittenberg geh'n,

Dort will ich das Kleinod Euch zeigen.

Und seid Ihr nun wohl bei gesundem Verstand,

So schaut Ihr in anderm nur nichtigen Tand.«


»Ei doch,« hebt der Würzburger an und spricht,

»Das könnte ich nimmer verwinden,

Wenn bloß in Wittenberg, weiter nicht,

Ein Kleinod wäre zu finden.

Da kommt Ihr nach Würzburg, da zeig' ich Euch wohl,

Wo man das Kleinod suchen soll.«


»Ihr Gäste,« versetzt der Bamberger d'rauf,

Und lächelt nach stillem Begrüßen,

»Ihr Gäste, Ihr müßt schon den Main gar herauf,

Gen Bambergs grünende Wiesen.

Hier ist Euch das Seltenste gleich zur Hand,

Ihr findet's nur Einmal im deutschen Land.«


»Nun denn,« so stimmen selbdritt sie an,

»Laßt seh'n, wer das Seltenste zeige.

Und daß sich der andere, Mann für Mann

Vor dem Eigner des Seltensten neige.

Und soll ihm verehren, so sei der Bund,

Ein Stückfaß, voll bis zum zischenden Spund.«


Und der Wittenberger beginnet sogleich,

Und spricht mit ernstem Behagen;

»Ihr Herrn, im ganzen deutschen Reich

Von den frühesten, ältesten Tagen,

Hat nie noch ein Mann solch Glück gehabt,

Und hat sich so innig und rein gelabt.


Denn seht, mein Volk ist bieder und treu

Hängt an mir mit heiligem Lieben,

Und bis auf heute so frisch und so neu

Ist dies Gefühl ihm geblieben.[210]

Und ging ich hinaus in Waldesnacht,

Ich würde von tausend Augen bewacht.


Und macht' ich die Rund' durch des Landes Plan,

Und träfe an einsamer Stätte

Ein Bäuerlein, dem ich Unrecht gethan,

Und sagte: ›Dein Schoos sei mein Bette,‹

So schlief ich so ruhig, so sicher und kühl,

Als ständen zehn Wächter um meinen Pfühl.«


So sprach er mit inniger Herrscherlust;

»Ihr Herrn, nun wollet entscheiden;«

Und warf sich stolz und so frei in die Brust,

Wohl bist du, mein Fürst, zu beneiden.

Da nahm der Würzburger d'rauf das Wort,

Und fuhr dermassen zu prunken fort:


»Das ist wohl schön, doch das Seltenste nicht,

Das ist noch, und war schon gewesen;

So könnt Ihr, wenn Euch die Neugier sticht,

Wohl oft in der Chronika lesen,

Und glaubt nur, mein volkgeliebter Mann,

Daß kecklich der Würzburger auch das kann.


Doch sehet, es gibt was Seltneres noch,

Das stehet bei Würzburg am Maine;

Wie, freundliche Herren, ei sagt mir doch,

Habt Ihr nichts noch gehöret vom Steine?

Vom Steine bei Würzburg, der gibt mir im Jahr

Acht Fuder voll Weines, perlend und klar.


Denn solch ein Stein wohl das Seltenste ist,

Das jemals die Erde gezeuget;

D'rum wohl bedacht, was ihr thun jetzt müßt,

Ihr Herrn, Euch gehörig verneiget.

Das Volk in der Wüste hatt' auch 'nen Stein;

Doch gab er nur Wasser statt goldenen Wein.«


So sprach der von Würzburg; der Bamberger jetzt

Streicht lächelnd den Bart sich und trinket,

Und als er vom Zuge abgesetzt,

Da verläßt er den Sessel und winket:

»Ihr Herrn, nur gemach, so lang man denkt

Das Beste ward immer zuletzt geschenkt.
[211]

Ihr Wittenberger habt schon Eu'r Theil,

Das hat Euch mein Nachbar gereichet,

Bei Euch, Würzburger, hat's auch nicht Eil',

Daß man sich verbeuget und neiget,

Eu'r Steinlein ist doch nur ein winziger Zwerg

Gen den Riesen, den edlen Johannesberg.


Doch wollt Ihr seh'n in den deutschen Gau'n,

So Selt'nes, als nie Ihr gewähnet,

So müßt Ihr den Garten in Bamberg schau'n,

Der hoch auf der Brücke sich dehnet;

Und zeigt Ihr mir das an der Elbe, am Rhein,

So soll mein Stückfaß verloren sein.«


»Auf der Brück' ein Garten? – Das ist fürwahr

Ein Werk, so selten erkühnet!

Und was noch seltner – das ganze Jahr

Der Garten blühet und grünet;

Und kommt Ihr im Winter, und kommt Ihr im Mai,

Dem Gärtner ist's immer einerlei.«


Das Pärchen schüttelt das Haupt und schweigt,

Den Garten müssen sie schauen.

Und als sie die obere Brücke erreicht –

Kaum konnten den Augen sie trauen –

Vom Brückenkopf an bis zur Rathhaus-Thür,

Da grünte der Garten für und für.


Von der Thür bis zum anderen Brückenkopf

Zeigt Alles ein fröhlich Gedeihen,

Da blühten die Rosen, die Nelken im Topf,

Da lagen in zierlichen Reihen

Der Spargel, das Süßholz, das Kraut und der Kohl,

Sie lächelten zwar, doch bemerken sie's wohl.


Und drückten dem Fürsten die wackere Hand,

Die mild dem Drucke begegnet,

Wohl war kein einzig deutsches Land

An Früchten so reichlich gesegnet.

Und lächelten heiter, und schlugen ein:

»Dein, Bamberger, soll das Stückfaß sein.«

1

In der Ballade: »Der reichste Fürst«: Würtemberg.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 209-212.
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