295. Die Kapelle im Haßlocher Thal.

[285] L. Braunfels Mainufer S. 301.


Nicht weit von Wertheim am rechten Ufer des Maines liegt das Dorf Haßloch in einem reizenden Thale an der Mündung des Hasselbaches. Verfolgt man das Thal der Hassel aufwärts, so kömmt man an eine verfallene Kapelle, die der Wertheimer Graf Johann mit dem Barte erbaut haben soll. Johann liebte das Jagdvergnügen so leidenschaftlich, daß er sogar den Tag des Herrn mit dem wilden Treiben des Waidwerkes entheiligte. Selbst am Osterfeste ließ er nicht ab davon; da sprang ein weißer Hirsch vor ihm auf und lockte den verfolgenden Jägersmann immer weiter und tiefer in den dichten Wald. Es wurde Nacht; der Graf sank schier verschmachtend zur Erde. Da gedachte er sehnsüchtig seiner lieben, frommen Hausfrau, die ihn oft so flehentlich gewarnt vor dem gottlosen Uebermaaß der Jagdlust. Und plötzlich, wie innige Reue in ihm erwachte, hörte er neben sich ein Brünnlein rauschen; und als er gelabt und gestärkt nun weiter schritt, schallte ein Glöcklein vor ihm, immer vor ihm her, bis ihn der fromme Klang wieder auf seine Burg heimführte. Zum Dank für die wunderbare Errettung baute der Graf an der Stätte, wo ihm die Quelle geflossen, diese kleine Kapelle.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 285-286.
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