300. Das Wunderkreuz.

[293] Von Schöppner. – Unfern der Fasanerie bei Aschaffenburg sieht man Spuren der Stammburg der Cuglenberge, die nachmals bei Stadtprozelten, eine mit jener Burg gleichnamige erbauten. Die Veranlassung zur Uebersiedlung erzählt die Sage Behlen u. Merkel Gesch. u. Beschr. v. Aschaffenburg, S. 13.


Juchhei! mein schönes Fräulein von Cuglenberg! juchhei!

Es zieht auf stolzem Rosse der Bräutigam herbei!


Zum Feste geht es heute, schon naht des Ritters Troß,

Bald klingt vom Hochzeitjubel der Cuglenberge Schloß.


Das schöne Bräutchen eilet behend auf den Altan,

Mit süßem Minnegruße den Liebsten zu empfah'n.


Da schallt Trompetenschmettern entgegen ihm so traut –

O Gott! was muß geschehen? – zu Boden sinkt die Braut.


Der Rappe tobt und schäumet – o gräßliches Geschick –

Vom Rosse stürzt der Ritter und bricht sich das Genick.


Das Fräulein ringt die Hände, es bricht ihr armes Herz,

Sie klagt in einem Kloster dem Heiland ihren Schmerz.
[293]

Ein Kreuz von ihr errichtet an jenem Schreckensort

Es trug auf unsre Zeiten die Trauerkunde fort.


Und weil der Pilger mancher dort Trost und Rettung fand,

So ward das Kreuz vom Volke das Wunderkreuz genannt.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 293-294.
Lizenz:
Kategorien: