328. Der Nonnenfelsen.

[324] Nonnenfels unweit Hartenburg bei Dürkheim. – K.F. Bruckner, das Haardtgebirge S. 90. Fr. Weiß die maler. u. romant. Pfalz S. 96. Lehmann Gesch. Gem. II., 262.


Einer der Grafen von Hartenburg, ein rauher und wilder Mann, hatte eine Tochter Adelinde, ein Bild zarter Weiblichkeit und edeln Sinnes. Sie entbrannte in heißer Liebe für einen edelgesinnten Jüngling, der als Knappe bei ihrem Vater diente. Stilles Glück beseligte die Liebenden, bis der Graf durch einen Zufall das Geheimniß endeckte. Kaum konnte der unglückliche Knappe sich der Wuth seines Herrn durch eilige Flucht entziehen. Adelinde aber hatte die ganze Härte seines Zornes zu tragen, und endlich sollte sie sich gegen ihren Willen an einen Ebenbürtigen seiner Wahl vermählen. Um diesem Geschicke zu entgehen, nahm sie den Schleier, und zwar um so lieber, da sie die Trauerkunde erhalten, daß Ruprecht, der Erwählte ihres Herzens, im Morgenlande den Tod im heiligen Kriege gefunden habe. In einem Kloster weinte sie ihren Schmerz aus und theilte ihre Zeit zwischen Gebet, Wohlthun und Pflege der Kranken. Doch ihre theure Heimath konnte sie nicht vergessen, und begleitet von einer treuen Freundin kehrte sie in das Thal zurück, wo sie ihre glückliche Jugend verlebt hatte. Hartenburg gegenüber errichtete sie auf einem Felsen ihr bescheidenes Hüttchen, und bald verbreitete sich der Ruf der hilfreichen, heilkundigen Nonne in der ganzen Umgegend, nur der rauhe Graf beachtete sie nicht. Da vernimmt sie plötzlich, daß ihr Vater auf der Jagd eine schwere Wunde erhalten habe, und daß alle Mittel, seine Schmerzen zu lindern und seine Wunden zu heilen, vergeblich seien. Dem Drange des edlen Herzens folgend, besteigt sie die Stammburg ihres Geschlechtes und rettet das Leben des Vaters, der sie darauf erkennt, die ganze Größe seines Unrechtes bereut, und ein neues, besseres Leben beginnt. Er suchte durch alle möglichen Bitten Adelinde zur Rückkehr nach Hartenburg zu bewegen, doch sie blieb auf ihrem Felsen und widmete auch den Rest ihres Lebens dem Wohlthun und dem Beglücken ihrer Mitmenschen. Noch zeigt man den Altar, an dem sie ihr Gebet zu verrichten pflegte, und die Vertiefungen, in denen die Thüre ihrer dürftigen Hütte befestiget war.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 324-325.
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