39. Das Aelplein bei Wertach.

[39] Von KarlFernau.


Zu Wertach nah bei Hindelang

Lebt einstmal unter Sing und Sang

Und manchem Weltentand ergeben

Herr Bach ein lustig Pfarrerleben.

Es war ein Männlein, schlau, verdreht,

Und wie es leider manchmal geht,

Obwohl zum Streiter auserkoren,

Zum Heil der Kirche nicht geboren,

Leicht glitt er über alles hin

Und nahm es kurz nach seinem Sinn.


Nun hört: ein Aelplein war gelegen

Auf hohem Berg, ein Weide-Segen,

Voll Gras und Saft und Blumenduft,

Recht in der freien Gottesluft,

Doch mühten sich in altem Streite

Drum Hindelang und Wertach beide,

Mit Zeugen und mit Dokumenten

War dieser Zank gar nicht zu enden.


Da fiel zuletzt es Einem ein:

Weil Ende muß bei Allem sein,

So soll's zum Schiedsspruch kommen! – Bach

Stand eben unter seinem Dach,

Als eine Schaar von Freund' und Feinden

Der eifersüchtigen Gemeinden

Zum Pfarrdechanten eilend kam

Und ihn zum Friedensrichter nahm.

Da waren sie am rechten Orte;

Denn alsogleich sprach er die Worte:


»Ich will nach Glaub' und Wissen schalten,

Zu keiner der Parteien halten –«

Indessen lächelt er gar fein,

Denn schnell fiel eine List ihm ein.

Schon freut' er sich, ein weltklug Männlein,

Im Geist der abgefallnen Spänlein,

Womit er seine Pfründ' und Pfarr'

Gesonnen zu bereichern war.


An Ort und Stell' der fetten Weiden

Wollt er den langen Zwist entscheiden;

Und als der Tag kam, den er wählte,

Auf den er die Partei'n bestellte,

Da hielt ein Jeder Arbeitsrast,

Und eilte hoffend und in Hast

Herbei, hinan den Bergeshang,

Ganz Wertach und ganz Hindelang.

Die Sonn' erheiterte die Herzen,

Vergessen wurden manche Schmerzen;

Denn auf der freien Gotteshöh'

Vergißt der Mensch so gern sein Weh.


Und nun Herr Bach? Den Spruch zu sprechen

Macht ihm wohl großes Kopfzerbrechen? –

Nicht doch! o, der geübte Mann

Der griff sein Ding viel leichter an.

Zerhau'n den Knoten! Alexandern

Gleich auf das Aelplein hinzuwandern,

Dacht' er im Geist: kaum konnt' er warten,

Ging schon beim Frühroth in den Garten,

Und nahm vom Brünnlein, das dort fließt,

Den Schöpfer, draus man Wasser gießt,

Und stellt ihn keck und wohlgemuth

Ueber dem Haupt in seinen Hut.

Drauf von dem Boden, wo er stand',

Faßt' er den feinsten Gartensand

Und streut' ihn sorgsam und verstohlen

Inwendig auf der Schuhe Sohlen,

Und stieg zu Pferd! O Doktor Bach,

Das geht gewiß dem Rechte nach!


Versammelt standen sie schon all',

Als Bach heraufritt durch das Thal;

Er stieg gar froh von seinem Pferde,

Fest trat er auf des Aelpleins Erde;

Und da er in der Mitte stand, –

Die Augen Aller aufgespannt –

Sprach er, der kleine Pfarrdechant:[40]

»Ihr Leute, habt mich kommen lassen:

Seid ihr bereit, den Spruch zu fassen?

Seid ihr bereit, ihn zu vollziehen?« –

Ja! ward vom Bauernvolk geschrieen. –

»So will ich nun auf euer Klagen

Als Schiedsmann richten, thun und sagen,

Was Rechtens ist und bleibt: hört ihr!

So wahr ein Schöpfer über mir,

Steh' ich auf Wertach-Boden hier.«

Das konnt' er leicht sagen mit seinen Sohlen,

Und mit dem Schöpfer zum Wasserholen!


Der Spruch gar Manchen schlimm verdroß!

Des theuren Guts war Hind'lang los;

Durch Doktor Bach nun war es klar,

Bei wem das Recht auf's Aelplein war;

Auf Erden ließ sich's nicht mehr nehmen;

Die Andern mußten sich bequemen. –

Doch der im Himmel oben ist,

Der Herr vernahm des Dechants List,

Befand die Weise arg und schlecht

Und selbst das Urtheil ungerecht.

Der Schöpfer ließ ihn nimmer ruh'n,

Der Boden brannt' ihm in den Schuh'n;

Und als Herr Bach in kurzer Zeit

Gesegnet drauf die Endlichkeit,

Sah man – so hört man Leute sagen, –

Ihn oft zu Pferd um's Aelplein jagen,

Im schwarzen Mäntlein, wie er war,

Da er das Recht fand also klar. –

Ein Kreuz steht auf den Felsenhöh'n,

Wo einst das Aelplein grün und schön

Im reichen Gottessegen lag;

Es wurde kahl nach kurzem Tag.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 39-41.
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