8. Des Hirten Stab.

[12] Mündlich.


Es ging einmal ein Hirtenknabe den Untersberg hinab, und weil es sehr schwül war, so streckte er sich in's weiche Gras an einer frischen Quelle nieder und schlief ein. Als er erwachte, griff er nach seinem Stabe, den er in die Quelle gelegt hatte. Aber o Wunder! anstatt des alten mit Eisen beschlagenen Stockes blitzte ein nagelneuer Hirtenstab von purem Golde aus dem Wasser. Voll Freuden nahm ihn der Knabe und eilte damit spornstreichs den Berg hinunter seinem Dorfe zu. Daselbst entstand ein großes Aufsehen über den kostbaren Fund, und alles Volk machte sich unverweilet, schwer mit altem Eisen beladen, auf den Weg nach dem Goldbrünnlein. Alldort wollte Jeder zuerst seine Bürde von Eisen in's Wasser werfen. Bald war die Quelle angefüllt. Aber vergeblich warteten die guten Leute auf die Vergoldung; am Ende mußten sie ihr Eisen wieder aus dem Wasser ziehen und beschämt nach Hause wandern.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 12.
Lizenz:
Kategorien: