510. Legende vom hl. Blut bei Erding.

[47] Nach Wenings Topogr. im Kal. f. kath. Christen. Sulzb. 1852 S. 99.


Im Jahre 1417 kamen ein paar Bauersleute aus dem Dorfe Kletheim in ihrem Gespräche auf ihre Vermögensumstände, da der Eine wohlhabend, der Andere aber arm war. Der Arme fragte nun den Reichen: wie er's denn mache, daß das Glück ihn so begünstige, während ihm, selbst bei aller angewandten Mühe, in seinem Hauswesen nichts Gedeihliches ersprießen wolle. Der Vermögliche gab dem also Klagenden zur Antwort: Er glaube, sein Glück rühre davon her, weil er in seinem Schreine das allerheiligste Sakrament des Altars aufbehalten habe (in dem Schreine seines Herzens, wie er gewiß verstanden wissen wollte). Allein der Arme nahm die Rede in seiner Einfalt anders, wie sein Benehmen zeigte. Er meinte einen wirklichen Schrein oder Kasten im Hause, und beschloß durch ein gleiches Mittel wie sein Nachbar zu einer gleichen Glückseligkeit zu kommen. Die Gelegenheit dazu bot sich ohnehin bald durch die nahe Osterzeit. In solchen Gedanken, eine heilige Hostie nach Hause zu bringen, begab er sich am grünen Donnerstage nach Altenerding, das nicht eine Viertelstunde entfernt liegt, und empfing die österliche Kommunion in der dortigen Pfarrkirche. Der Einfältige verbarg die heilige Hostie in ein Tüchlein und ging damit endlich nach Hause voll Freude diesen Schatz in seinem Hauskasten aufzubewahren, um mit dem Allerheiligsten in seinem Hauswesen gesegnet zu werden. Indessen hatte es der göttlichen Vorsehung gefallen, seinem ungeziemenden Vorhaben entgegenzutreten. Als der Bauersmann freudigen, aber auch schüchternen Gemüthes mit dem verborgenen Abendmahle an den Ort kam, wo jetzt zwischen Erding und Altenerding das Gotteshaus zum heiligen Blut steht, entwich ihm die heilige Hostie so wunderbar, daß dieselbe lange ihm sichtbar in den Lüften schwebte und endlich auf die Erde sich niederlassend aus den Augen kam. In seinem Innern ergriffen, geängstigt und beunruhigt, konnte der Mann mit treuer Seele nun nichts anders thun, als den Vorfall seinem Pfarrherrn mittheilen. Dieser kam mit seinem Pfarrvolke an den Ort, wo die heilige Hostie wieder sichtbarlich emporstieg, dann aber wieder in der Erde versank, ohne sich fassen zu lassen. Auf den pfarrlichen Bericht über diese wunderbare Sache kam[48] der Bischof von Freising mit seinem Domkapitel dahin, und während sie nebst dem zahlreich versammelten Volke beteten, erschien die heilige Hostie auch dießmal schwebend in der Luft, und versank endlich wieder in die Erde, ohne daß die Erhebung möglich wurde.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 47-49.
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