543. An Agnes Bernauerin.

[100] Von König Ludwig I. von Bayern.


Ein holdes Veilchen blühtest du verborgen

In kindlicher Zurückgezogenheit,

An deines Lebens harmlos stillem Morgen,

Bewußtlos deiner Liebenswürdigkeit.


Da fiel versengend hin, auf dich gerichtet,

Der Fürstenliebe unheilvolle Gluth,

Dein kurzes Leben wurde schnell zernichtet,

Doch deine Liebe endet nicht die Fluth.


Und in des Himmels ew'gem sel'gen Frieden

Ist längst dein Albrecht froh zu dir gesellt,

Dort wirst du nimmermehr von ihm geschieden,

Der Liebe Glück ist nicht für diese Welt.


Der Wonnen höchste hattest du empfunden,

Doch wie du kaum erreicht die Seligkeit,

So war sie dir sogleich auch schon verschwunden,

Sie lebt nicht in dem Raum, noch in der Zeit.


Was vom Geschick bestimmt, getrennt zu bleiben,

Beglückend wird's hienieden nie vereint,

In das Verderben immer muß es treiben,

Wenn's gleich im Augenblick besel'gend scheint.


Jahrhunderte hat schon die Zeit verschlungen,

So wie die Fluth, in der dein Leben schwand,

Dein Name doch hat sich ihr hehr entschwungen,

Mit Rührung wird derselbe noch genannt.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 100-101.
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