651. Todtentragen zu Erlangen.

[199] F. Lammers Gesch. der Stadt Erlangen, 2 Ausg. S. 8.


Zu Erlangen war bis auf spätere Zeiten ein Brauch im Schwang, welcher aus uralter Heidenzeit entstammt ist. Die Bauernmädchen der benachbarten Orte zogen nämlich am Sonntage nach Lätare festlich geschmückt und mit Kränzen in den Haaren zur Stadt und trugen Puppen in den Armen, welche mit Laubwerk eingefaßt und mit einem weißen Tuche bedeckt waren. Paarweise traten sie alsdann vor die Häuser und sangen:


Heut ist Mitfasten, wohl is das!

Werfen mir'n Taud ins Wassa, wohl is das!
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Hiezu fügten sie noch allerlei gute Wünsche in ähnlichem Versmaaß für den Hausbesitzer und erhielten dann eine kleine Gabe.

Die Puppe, welche sie trugen, stellte den Götzen Thor vor und wurde aus dem Grunde in die Stadt und durch die Flur getragen, um die Fruchtbarkeit der Felder zu bewirken. Sobald der Umgang beendiget und die Gaben empfangen waren, wurde die Puppe über die Brücke in die Rednitz gestürzt. Dieses Fest hieß daher anfänglich Thoraustragen und wurde dann in Todtentragen umgewandelt, wovon der Sonntag nach Lätare alsbald der Todtensonntag genannt worden ist.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 199-200.
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