662. Der Hoimann im Bürgerwalde bei Röttingen a.d. Tauber.

[211] Mündlich.


Vor alten Zeiten, da die Feier des Sonntags noch mehr galt als zeitlicher Gewinn, fuhr Sonntags früh ein Fuhrmann mit einer großen Ladung Wein dem Bürgerwalde bei Röttingen zu. Die Leute warnten ihn, den Sonntag nicht zu entheiligen, der Weg sei schlecht, Niemand auf dem Felde, es könne ihm ein Unglück zustoßen. Der aber entgegnete, es werde schon gehen, und wenn ihm der Herrgott nicht helfen wolle, so solle ihm halt der Teufel helfen, es sei ihm eins. So fuhr er seinen Weg. Ueberall läuteten die Glocken zur Kirche, der Fuhrmann dachte aber nicht an's Gebet, sondern trieb unter Fluchen und Schelten und dem öftern, bei Fuhrleuten üblichen Rufe: hoi hoi! auf gefährlichem Wege die Rosse voran. Da plötzlich an einer abschüssigen Stelle reißt eine Kette, der Wagen rollt donnernd vorwärts dem Abgrunde zu, der Fuhrmann will eine andere Kette einlegen, ruft jetzt Gott und alle Heiligen an, und eben läutet von Röttingen herüber die Glocke zur Wandlung; doch das Rad erfaßt ihn und quetscht ihm den Kopf vom Rumpfe, im Abgrunde zerschellt liegen Wagen und Rosse.

Seit diesem Unglücke hört man nun zu gewissen Zeiten, wenn die Leute nach Hause gehen, Nachts vom Walde herüber ein Hilf- und[211] Angstgeschrei, besonders die rasch und angstvoll wiederholten Rufe: hoi, hoi, und ein Geknalle und Fluchen und Stöhnen dazwischen, doch kehrt sich Niemand daran, und jeder geht schnell seines Wegs. Auch wurde dieser Fuhrmann den Kopf unterm Arm auf einem Schimmel gen Röttingen reitend gesehen. Dabei klopft er Hilfe rufend an die Fenster der letzten Häuser im Flecken, doch sieht Niemand zum Fenster heraus; auch die Stelle, wo das Unglück im Walde geschehen, wird selbst bei Tage gemieden.

Sonderbar hat sich damit die weitere Sage verbunden, wenn der Hoimann sich hören und sehen lasse, so gebe es ein gutes Weinjahr; so habe er sich das letztemal im Jahre 1834 gezeigt.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 211-212.
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