[230] Von GustavSchwab.
Zu Würzburg steht ein grauer Thurm
Weitab vom lust'gen Maine,
In seinem Balken pickt der Wurm,
Es nagt das Moos am Steine.
Die hohle Brust durchröchelt schwach
Ein rostig Uhrwerk stöhnend,
Sein Stundenschlag ist auch noch wach,
Doch nur die Zeit verhöhnend.
Denn wenn die Glocken alle ruhn
Ein Viertel vor der Stunde,
Beginnt er ein verkehrtes Thun
Mit eh'rnem Lügenmunde.
Ob seinem frühen Schlage quält
Sich, was auf Märkten handelt,
Der Kranke, der die Stunde zählt,
Der Reisende, der wandelt,
Wie dulden es die Städter nur,
Den Trüger stets zu hören?
So wißt: sie mögen seiner Uhr
Den alten Fluch nicht stören.
Denn in dem dreißigjähr'gen Sturm,
Im langen Jammerkriege,
Da war der falsche Schwedenthurm
Einst eines Gräuels Wiege.
Verschwörer saßen dort versteckt
In seiner Glockenstube;
Ein dumpfer Streich ward ausgeheckt
In lust'ger Mördergrube.
Als drauf die Stadt voll Frieden schlief,
Die unbewehrte Rechte
In sichrem Schlummer senkten tief
Des Reiches treue Knechte;
Ein Viertel hub vor Mitternacht
Der Thurm an irr zu reden:
Zwölf Schläge dröhnten da mit Macht,
Laut riefen sie den Schweden.
Und der verstand das Zeichen wohl,
Ein Pförtlein fand er offen,
Das Blut in allen Kammern quoll,
Die Schlummerkissen troffen.
Der Strom empfing, als tiefes Grab,
Der Leichen schwer Gerölle;
Doch Jubel scholl vom Thurm herab,
Hoch oben jauchzt die Hölle.
Ihr Sieg war kurz, ihr Stachel ward
Geknickt durch schnelle Rache;
Dem Thurm verrätherischer Art
Ließ man des Truges Sprache.
Im Räderwerk der Wahnsinn knarrt,
So steht er grau, zerfallen;
Muß, bis man ihn als Schutt verscharrt,
Von seiner Sünde lallen.
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