768. Die Moorjungfern der Rhön.

[283] Jäger Briefe über die hohe Rhön I., 144. II., 36-39. Bechstein S. 103.


Auf der Rhöne befinden sich Sumpfstrecken, genannt das rothe und schwarze Moor. Daselbst standen vor Zeiten zwei Dörfer; das auf dem rothen Moor hieß Poppenrode, das auf dem schwarzen Moor hieß Moor; beide sind in Folge lasterhaften Lebens ihrer Bewohner versunken und ist von letzterem nur noch ein Basaltpflaster übrig Namens: die steinerne Brücke. Auf der Moorfläche tanzen Nachts in Gestalt schwebender Lichtchen die Moorjungfern. Oft kamen sie zu zwei oder drei nach Wüstensachsen und mischten sich unter die Kirchweihtänze, sangen auch gar lieblich, wurden aber jedesmal um die zwölfte Stunde durch eine Taube, der sie folgten, abgerufen; sie zogen dann singend zum nächsten Berg hinein und verschwanden so den Augen der Nachblickenden.

Aus dem versunkenen Dorf Poppenrode sollen zwei tugendsame Jungfrauen übrig geblieben sein. Auch diese wurden beim unmäßigen Tanzvergnügen plötzlich hinweggenommen. Den nach ihnen Suchenden bedeutete ein Engel, sie sollten mit einer Ruthe auf's rothe Moor schlagen; wenn sich Blut an der Ruthe zeigte, sei alles Suchen vergebens. Und siehe, es zeigte sich Blut. Die Jungfrauen wurden nie mehr gesehen.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 283.
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