781. Schloß Freudenberg.

[299] Von Ph.Will.


1.

Zum schönen Ritterfräulein trat

Herr Kollenberg mit einer Rose:

»Wenn euch der dritte Morgen naht,

Erhört mein Herz, das hoffnungslose.«


Und auch der Graf von Wertheim kam

Mit Edelstein und Perlenschnüren:

»Laßt holde Maid als Bräutigam

Mich bald euch zum Altare führen.«


Und als der dritte Morgen graut',

Da kam Herr Kollenberg geritten;

Die edle Maid küßt er als Braut,

Die schönste Blum' hat er erstritten.


Der Graf von Wertheim ritt herbei,

Zog ab mit unverricht'ter Sache,

Da schwur er hoch bei Rittertreu',

Dem stolzen Bettlerweibe Rache.


Und eine Gräfin ward sein Weib.

Er baut' ein Schloß, das Freudenberger;

Stets gab's da lust'gen Zeitvertreib,

Dem Nachbar Kollenberg zum Aerger.


Herr Kollenberg lebt ohne Harm,

Er war nicht reich, doch stets zufrieden.

In seiner treuen Gattin Arm

War ihm das schönste Glück beschieden.


Ein Bettlerweib sandt' ihm auf's Schloß

Graf Wertheim, tückisch ihm zu rauben

Das hohe Glück, das er genoß,

Der reinen Liebe frommen Glauben.


Das Weib empfing gar schlimmen Gruß.

»Wag's nimmermehr in's Schloß zu setzen

Verrätherin den frechen Fuß,

Sonst laß' ich dich mit Hunden hetzen!«


»Die Hund', fürwahr! ich schaffe sie;«

So rief das Weib im argen Grimme:

»Den Fluch vernimm! dir lalle nie

Des ersten Kindes süße Stimme!«


2.

Der Ritter zog zum blut'gen Strauß

Mit der Getreuen kleinem Heere.

Graf Wertheim fordert ihn heraus;

Da muß er wahren Mannesehre.


Von ihm getroffen, stürzt der Graf,

Doch Wertheim hat die Schlacht gewonnen;

Das Todesschwert die Tapfern traf,

Kaum war der Ritter selbst entronnen.


Und als er aus dem Treffen floh,

Sah er bei seines Schlosses Hofe

Mit einem Korb, bedeckt von Stroh,

Der treuen Gattin treu'ste Zofe.


»Was tragt Ihr in dem Korb fürbaß?«

»Ach die Gebiet'rin lag in Nöthen,

Als von zwei Hunden sie genaß.

Die soll ich jetzt im Flusse tödten.«
[300]

Der Ritter reißt die Decke auf,

Ein Knabenpaar lacht ihm entgegen,

Das trägt er froh die Burg hinauf,

Dem Himmel dankt er für den Segen.


Graf Wertheim zog mit wundem Arm

Nach Freudenberg in Siegesprangen,

Ihm folgte der Genossen Schwarm;

Die Gattin hat ihn treu umfangen.


Der Vater nimmt voll sel'ger Lust

Auf seinen Arm den einz'gen Knaben.

Der Knabe glitt von Vaters Brust,

Zerschellt das Haupt im Schlosses Graben.


Siehst du den ernsten Leichenzug,

Sich langsam feierlich bewegend?

Schwer ruht auf Wertheim Gottes Fluch,

Er flieht für immer diese Gegend.


Die Schlüssel wirft er in den Fluß,

Auf ewig ist die Burg verschlossen;

Er flucht dem Schloß zum Scheidegruß

Dann geht's davon auf flücht'gen Rossen.


Und Freudenberg, der Widerhall

Von kühner Lust, von heiterm Schalten?

Die stolze Burg ist in Verfall,

Hier hat die Zeit Gericht gehalten.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 299-301.
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