804. Der Einaug.

[327] Von IgnazHub. – Vgl. Sagenb. I., 356.


Der Einaug sprang, die Faust geballt,

Vom Lager, im Morgennebel,

Warf sich in's Büffelwamms und schnallt'

Sich an den Gurt den Säbel;

Rief aus dem Schlaf den stärksten Knecht:

»Heda, Gesell, mach' dich zurecht!

Mir träumte: sollen reiten!

Du sollst mich heut begleiten!«


Und hurtig ging's zu Roß in's Thal

Querfeldein, – gen Annweiler.

»'S gibt einen Höllenfang, bei'm Gral!

Und wär's des Satans Keiler!«

Sie ritten über Stock und Stein

Voll Raubbegier waldaus, waldein,

Durchstöberten alle Wege,

Die Schluchten und Gehege.


Doch fand zu Raub sich keine Spur,

Wonach die Beiden lechzten;

Grimm angeschoßne Hirschlein nur

Im stillen Grund verächzten.

Der Sperber schreit, es klopft der Specht,

Der Raubherr flucht, es murrt der Knecht...

So bogen um einen Hügel

Sie mit verhängtem Zügel.


Da, wie den Vorsprung sie erreicht

Im halben Dämmerdunkel,

Ramberg, die Ritterburg, sich zeigt

Und wandelnd Lichtgefunkel.

Ihr Anblick, heisa! war kein Dorn

Dem Einaug. – Hei! stieß er in's Horn,

Daß schmetternd von dem alten

Gestein die Töne prallten.


»Halloh, thut auf! ein Dach gewährt

Zween abwegs irren Recken!

Das Rößlein stutzt, der Nachtwind fährt

Grausig durch Busch und Hecken!« –

Auf Gastfreundschaft der Ramberg hält,

Die Kette rollt, die Brücke fällt,

Und Schloß und Riegel sprangen,

Die Gäste zu empfangen.


»Beim Sakrament! so hat es Art.«

Der Einaug rief's dem Knechte,

»Das Burgherrlein wohl hat bewahrt

Goldfischlein für die Hechte!«

Sie saßen ab bei Fackelstrahl,

Sie traten in den Rittersaal

Und ließen sich's gefallen

Bei Wildpret, Fisch und Quallen.
[327]

Sie machten sich's bequem fürbaß,

Der Strolch und sein Genosse;

Sie tranken aus dem besten Faß

Und trieben Scherz und Posse.

Ernst aber furcht' des Ritters Stirn,

In Fiebergluthen zuckt sein Hirn,

Als wollt' ein böses Ahnen

Geheimnißvoll ihn mahnen.


Und als genommen war das Mahl,

Bestellt die Schlummerzellen,

Verläßt er alsobald den Saal,

Gehn schlafen die Gesellen.

Der Schnapphahn doch bei Seite raunt:

»Um Mitternacht sei wohlgelaunt,

Wenn er im Schlaf verloren,

Das Herz ihm zu durchbohren!


Herum in Kist' und Truhe dann

Mit scharfer Nase spähe,

Indeß ich sammt dem Kastellan

Die Knappen niedermähe!« –

Und stille ward's im Ritterhaus,

Die Eule nur und Fledermaus

Umschwirrten, wie Gespenster,

Die runden Erkerfenster.


Unruhe hielt den Burgherrn wach;

Dämonische Gewalten

Umgaukelten sein Schlafgemach

In hundert Schreckgestalten.

Es grinst ihn an und winkt und nickt –

Er lauschet... still... nur leise pickt

Die Todtenuhr und knistert,

Der Wind verstohlen flüstert.


Er sucht den Schlaf... er nicket ein...

Ha! schreckt's ihn auf vom Pfühle!

Ihm war, als ob ein Zentnerstein

Auf seinem Herzen wühle.

Er späht... da blutig von der Wand

Starrt ihm entgegen eine Hand, –

Aus seines Schwertes Scheide

Blutfunkelte die Schneide.


Und heißer schlug an ihm empor

Der Ahnung schwarze Welle...

So durch den schmalen Korridor

Wallt er zur Burgkapelle,

Kniet vor dem Altar gläubig hin,

Und fleht zum Herrn mit frommem Sinn,

Vor Unheil und Gefahren

Ihn gnädig zu bewahren.


Den Schimmer warf das ew'ge Licht

Auf's hohe Tabernakel,

Daraus die Liebe Gottes spricht

Im Brodwandlungs-Mirakel.

Darüber mit der Dornenkron'

Am Kreuze hing der Gottessohn,

Zu Füßen ihm stand voll Schmerzen

Die Mutter, das Schwert im Herzen.


Wie also im Gebet er lag,

Mit seinem Gott im Bunde,

Verkündet dumpf der Glockenschlag

Vom Thurm die Mittnachtstunde.

Jetzt schleicht, in starker Faust den Stahl,

Des Räubers Knecht, wie er befahl,

Hinauf zu Ramberg's Kammer...

Noch scholl im Erz der Hammer.


Er legt das Ohr an Wand und Schloß...

Kein Laut... und leise tritt er

Hinein, gezückt zum Todesstoß

Das Eisen auf den Ritter.

Doch als er fand die Kissen leer,

Drängt's ihn verwirrt zur Thüre quer. –

Geschnarch'... ein Schrei!... der Kehle

Entfährt des Schläfers Seele.


Vom Feuerweine noch durchglüht

Entrauscht die Lebensquelle:

Das letzte, leise Röcheln flieht

Aus tiefer Herzenszelle.

Der Einaug schwamm in seinem Blut, –

Da naht der Graf, in Gottes Hut, –

Die Fackel in der Linken,

Läßt er sein Schwert erblinken.
[328]

Und vor den Mörder stumm und bleich

Tritt er mit strengen Mienen;

Dem kam's als ob aus dunklem Reich

Der Rachegeist erschienen.

Entsetzen packt den Bösewicht,

Als halte Gott sein Strafgericht

Ueber dem rauchend rothen

Verruchten Blut des Todten.


Zu seinen Füßen stürzt er, fleht

Um Gnade für sein Leben,

Des Räubers Meuchelplan gesteht

Er reuig und mit Beben:

»Erbarmen meiner Seele, Herr!

O laßt im dunkelsten Gesperr

Mich büßen, schlimm berathen,

Für meine Missethaten!«


»›Du hast vollstreckt nach Gottes Rath

Die Strafe,‹« spricht der Ritter,

»›Vergeben sei dir drum die That,

Fern Burgverließ und Gitter;

Nun aber flieh, elender Gauch!

Verbirg dich in den dicksten Strauch,

Und preis' durch Gottes Gnade

Der ew'gen Vorsicht Pfade!‹«

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 327-329.
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