Wahre Schönheit

[196] Wenn du in den Fürstensälen,

Mädchen, bei der Kerzen Schein

Strahlst im Glanze der Juwelen,

Glaubst du schön zu sein?


Wie von Welle hin zu Welle

Hurt'gen Flugs die Schwalbe streicht,

Auf des Marmorbodens Helle

Schwebst du flügelleicht.


Aus des braunen Lockenhaares

Fülle, die dein Haupt umflicht,

Leuchtet deiner Augen klares,

Blaues Himmelslicht.
[196]

Aber eisig ist ihr Schimmer,

Wie der Diamanten Pracht,

Wie das frostige Geflimmer

Der Dezembernacht.


Ob mit allem, was auf Erden

Prächtig ist, du dich umgiebst,

Mädchen, schön erst wirst du werden,

Glaub mir, wenn du liebst!

Quelle:
Adolf Friedrich von Schack: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Stuttgart 31897, S. 196-197.
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