In der Brianza

[209] Dichte Wolken, schwer und dunkelnd,

Hängen nieder in das Thal;

Hie und da, die Nacht durchfunkelnd,

Zuckt herab ein Wetterstrahl,

Daß die schlaferfüllten, stillen,

Halb im Laub versteckten Villen

An den blauen Alpenseen

Und im Lorbeergrün die blassen

Marmorbilder der Terrassen

Aus dem Dunkel auferstehn.


Donner nun! Von hellern Blitzen

Wird durchflammt die Finsternis,

Und die weißen Gletscherspitzen

Leuchten durch der Wolken Riß;

Längs der grünen Rebenmauern

Zittert heißes Wonneschauern,

Und in Wollust bebt die Flur,

Da die ersten Tropfen rauschen;

Aber wag' ich's, zu belauschen

Dieses Brautfest der Natur?

Quelle:
Adolf Friedrich von Schack: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Stuttgart 31897, S. 209-210.
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