Lebenswonnen

[363] Auf hohen Bergesgipfeln stehn,

Einen geliebten Freund umschlingen,

Hinauf zu den Wolken jubeln und singen

Und hinab zu den Thälern und Seen;

Einander im seligen Taumel schwören,

Sich in Leben und Tod zu gehören,

Große Thaten dereinst zu vollbringen

Oder im Ringen unterzugehn;


Im leichten sturmgeschaukelten Boot

Ueber das Meer dahingetrieben,

Mit der einen, die wir lieben,

Ruhen beim flammenden Abendrot;

Lippen und Herz aneinander pressen

Und, der Erd' und des Lebens vergessen,[363]

Durch der Wellen Schäumen und Stieben

Entgegenjauchzen dem leuchtenden Tod;


Nachts sich unter dem Sternenzelt

In dem wogenden Lichtglanz sonnen,

Der aus dem unergründlichen Bronnen

Der Ewigkeit niederschauert und -fällt,

Bis die Seele im trunknen Gesichte

Eins sich fühlt mit dem ewigen Lichte –

O wie schwindet nach solchen Wonnen

Alle Freude und Größe der Welt!

Quelle:
Adolf Friedrich von Schack: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Stuttgart 31897, S. 363-364.
Lizenz:
Kategorien: