[402] An den Hängen, die in Eis
Tiefbegraben starrten,
Schmücken Krokus, gelb und weiß,
Veilchen schon den Garten;
Blätter hängt das junge Jahr
An die kahlen Aeste,
Und es kehrt der Wanderstar
Zum verlass'nen Neste.
Ja, im Glanz, der über Thal
Und Gebirg ergossen,
Allen als ein Freudensaal
Ward die Welt erschlossen;
Nur aus meinem Herzen weicht
Nicht der Gram, der stete,
Still an meiner Seite schleicht
Er durch blüh'nde Beete.
Seit ein Wiegenlied uns zwei
In den Schlaf gesungen,
Schwester, hat in jedem Mai
Mich dein Arm umschlungen,
Schrittst du hier mit mir am Bach
Durch die blum'ge Wiese;
Nun zum erstenmale, ach!
Fehlst du mir, Elise!
In der dumpfen Stube lang,
Winterlich umnachtet,
Nach der ersten Lerche Sang
Hattest du geschmachtet.
Endlich hell durch mildre Luft
Scholl er dir entgegen –[403]
Da, Geliebte, in die Gruft
Mußtest du dich legen.
Nicht im jungen Sonnenlicht
All das Grünen, Blühen,
Und der Fichten Sprossen nicht,
Die wie Fackeln glühen,
Nicht, durchblitzt vom Morgenrot,
Die beperlten Auen
Gönnte dir der Mörder Tod
Noch einmal zu schauen.
Wohl in einem Jenseits gern,
Wie zu höhern Räumen
Hin du schwebst von Stern zu Stern,
Möcht' ich dich mir träumen;
Doch umsonst! Mein Geist muß matt
Seine Schwingen senken;
In der finstern Todesstatt
Kann ich nur dich denken.
Dort zu dir hinunter nun
Dringt kein Hauch vom Lenze.
Bleich zu deinen Häupten ruhn
Die verwelkten Kränze,
Und ein blasser Lichtstrahl streicht
Nur mit Dämmerhelle
Längs der Wände, kalt und feucht,
Durch die Grabkapelle.
Oft im Traume, grambetäubt,
Zwischen Steingebröckel
Heb' ich, moderduftumstäubt,
Deines Sarges Deckel.
Sieh! Da schläfst nach kurzem Sein
Du den Schlaf, den langen,[404]
Und ein matter, eis'ger Schein
Spielt um deine Wangen.
Und von den Atomen schon,
Die in Staub zerfallen,
Hör' ich einen leisen Ton
Durch die Stille hallen;
O zu dir nimm mich hinab
Aus dem Weltgedränge,
Daß mit deinem bald im Grab
Sich mein Staub vermenge!
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