In Granada

[482] Wie oft mit ihr vom Winterherde,

Wenn außen kalt die Flocke fiel,

Träumt' ich mich nach dem Lenz der Erde,

Dem grünen Hochthal am Genil!


Da durch der Mondnacht Dämmerhelle

Zu der Alhambra Zackenthor

Trug sie beim hellen Klang der Schelle

Das Saumtier neben mir empor.


Wir ruhten in den Zauberhallen,

Wo einsam nun der Brunnen rauscht

Und mit des Westens Nachtigallen

Die Peri Bagdads Worte tauscht.


Und unten aus der Schlucht der Myrten

Stob mit der wilden Sträuche Duft

Zu uns das nächt'ge Lied der Hirten

Empor durch die berauschte Luft.


Es war ein Traum; nicht nach dem Süden,

Zu fernern Küsten brach sie auf,[482]

Und weiter trug allein mich Müden

Des Lebensstromes irrer Lauf.


Nun spielt um mich auf weißen Platten

Im Löwenhof der Mondenschein;

Allein er wirft nur einen Schatten,

Nur meinen auf den Marmorstein.

Quelle:
Adolf Friedrich von Schack: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Stuttgart 31897, S. 482-483.
Lizenz:
Kategorien: