2.

[136] Die Frauen der Zwerge in dem Kelberge bedurften, wenn sie gebären wollten, gar oft der menschlichen Hülfe. So kamen einst Zwerge zu der Hebamme in Stadt-Oldendorf und forderten dieselbe auf mit ihnen zu gehn und einer kreißenden Zwergin Beistand zu leisten. Als die Hebamme sich dazu bereit erklärt hatte, verbanden ihr die Zwerge die Augen und führten sie in den Berg.[136] Die Frau leistete ihren Beistand und wollte dann wieder gehn; doch die Zwerge litten es nicht, und so muste sie bleiben, bis das Kind getauft war. Auf diese Weise blieb sie volle acht Tage im Berge und hatte es recht gut. Als die acht Tage herum waren und das Kind getauft war, fragten sie die Zwerge, wie viel sie verdient hätte. Die Frau erwiederte aber, sie wäre mit allem zufrieden, was sie ihr gäben. Da gaben ihr nun die Zwerge eine »Dieße« Flachs und sagten dabei, davon möge sie alle Tage spinnen; der Flachs werde niemals ausgehn, wenn sie nur das Letzte von dem Rocken nicht abspinne. Dann verbanden ihr die Zwerge abermals die Augen und führten sie wieder aus dem Berge heraus. Die Frau that, wie ihr die Zwerge geboten hatten; den Tag über spann sie fleißig, war sie aber zu dem letzten top gekommen, so hörte sie auf, und am andern Morgen fand sie die »Dieße« jedesmal wieder »aufgemacht.« So spann die Frau lange Zeit und wurde, da sich der Flachs immer von selbst wieder erneuerte, zuletzt recht wohlhabend. Endlich aber dachte sie, da sie nun schon so viel zusammengesponnen habe, so könne sie es wohl einmal wagen auch den letzten top abzuspinnen. Sie that dieß, da war am anderen Morgen auch die Dieße weg und blieb weg.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 136-137.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.