2.

[152] Ein Bauer in dem hessischen Dorfe Ellenbach bei Landwehrhagen hatte eine so reiche Ernte gethan, daß er die Früchte in seiner Scheuer gar nicht unterzubringen wuste, und hatte kein Geld sich eine größere zu bauen. Darüber wurde er nun ganz betrübt. Wie er eines Tages mismuthig durch das Feld ging, trat ein Jäger in einem grünen Rocke zu ihm und fragte, weshalb er so traurig wäre. Der Bauer erzählte darauf dem Fremden den Grund seines Kummers. Da erbot sich dieser, wenn er[152] ihm gehören wolle, so wolle er ihm in der nächsten Nacht noch vor dem ersten Hahnenschrei eine große Scheuer auf seinem Hofe bauen. Der Bauer ging auf den Vorschlag ein. Als es nun Nacht geworden war, entstand auf dem Hofe ein gewaltiges Klopfen und Hämmern (dâ geit et an en pinken). Der Bauer schaute hinaus und sah, wie sich mit ungeheuerer Geschwindigkeit eine Scheuer erhob, und es konnte nicht mehr lange dauern, so stand sie fertig da. Jetzt wurde er immer unruhiger und ängstlicher. Seine Frau fragte ihn, was ihm fehle; anfangs wollte er es nicht sagen, doch endlich erzählte er ihr alles. »Da will ich schon Rath schaffen,« sprach die Frau, ging hinaus in den Hof und krähte laut, wie ein Hahn. Alsbald fingen alle Hähne auf dem Hofe und in der Nachbarschaft an zu krähen. So war der Bauer gerettet und der Teufel geprellt; denn das Dach war noch nicht ganz fertig, als der Hahn krähte. Das Fehlende konnte aber kein Mensch hinzuthun.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 152-153.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.