4.

[153] Ein Zimmermeister in Northeim hatte mit dem Teufel einen Vertrag gemacht. Der Teufel versprach ihm auf dem Klosterhofe eine Scheuer zu bauen, der Zimmermann bestand aber darauf, er solle ihm in einem Tage auf dem Klosterhofe eine Kapelle[153] bauen; wenn er diese fertig schaffe, ehe der Tag zu Ende sei und der Hahn mit seinem Ruf den neuen Tag verkündige, so wolle er ihm gehören. Der Teufel ging darauf ein und machte sich rüstig an den Bau der Kapelle. Es war etwa 111/2 Uhr in der Nacht geworden und die Kapelle fast fertig, nur vier Schiefern in der Mitte des flachen Daches fehlten noch. Der Zimmermann ging in der größten Verzweiflung auf der Esplanade hin und her, denn nur eine halbe Stunde fehlte noch und er war dem Teufel verfallen. Wie er so auf und abging, kam eine alte Frau aus dem Kloster zum Heiligen-Geiste in Northeim zu ihm und fragte ihn, weshalb er so niedergeschlagen wäre. Der Zimmermeister antwortete, das könne er ihr nicht sagen, sie könne ihm doch nicht helfen. Die Alte erwiederte, das könne er gar nicht wissen, ob sie nicht im Stande sei ihm zu helfen, er möge ihr nur sagen, was ihn drücke. Nun erzählte er ihr alles. Darauf ging die Alte in den Hof des Klosters, wo viele Hühner gehalten wurden, und klatschte dreimal mit aller Macht in die Hände. Alsbald erwachte ein Hahn und krähte mit lauter Stimme viermal. So hatte der Hahn gekräht, ehe der Teufel das Dach der Kapelle ganz zugemacht hatte, und der Zimmermeister war gerettet. Das Loch im Dache der Kapelle ist aber offen geblieben und so oft es auch die Menschen zugemacht haben, jedesmal ist es doch am andern Morgen wieder offen.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 153-154.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.