2.

[169] Eine Frau in Dörrigsen hatte einen Alraun. Dieser muste alle Morgen von ihr gewaschen werden; dann lag jedes Mal ein Ducaten darauf. Auch kamen ganze Wagen voll Schinken, Wurst, Speck, u. dgl. vor das Haus und wurden abgeladen. Da wurde die Frau schwer krank und in dieser Krankheit von ihrer Schwiegertochter aufs beste gewartet und gepflegt. Zum Lohn dafür bot sie dieser den Alraun an, die ihn auch annahm. Doch kaum war die junge Frau einige Tage im Besitze desselben gewesen, als der Teufel (Uriöæneken) in eigener Person bei ihr in der Stube erschien. Er hatte ein Buch unter dem Arme, welches er auf den Tisch warf und darauf zu der Frau sagte, sie habe etwas von ihm und möge nun ihren Namen in dieses Buch einschreiben. Die Frau erwiederte, sie wolle erst mit ihrem Manne sprechen; sie ging darauf zu ihm hinaus, und[169] erzählte den Vorfall. Dieser sagte: »das wollen wir schon machen«, ging mit ihr in die Stube zurück und schrieb in das Buch die Worte: »Christi Blut und Gerechtigkeit soll sein mein Schmuck und Ehrenkleid.« Als der Teufel diese Worte gelesen hatte, fuhr er mit furchtbarer Gewalt und Schnelligkeit durch das Fenster und ließ das Buch zurück. Der Bauer muste, als der Vorfall bekannt wurde, das Buch, worin viele Namen verzeichnet standen, an das Amt Rotenkirchen abliefern.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 169-170.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.