191. Liebeszauber.

[172] In der Matthiasnacht stellte ein Mädchen in der Küche einen Tisch gerade unter den Schornstein, setzte dann Essen und Trinken darauf und sprach dabei einen Reim. Alsbald kam ein junger Mann mit Messer und Gabel, schnitt sich etwas ab und aß, worauf er wieder verschwand, Messer und Gabel aber liegen ließ. Das Mädchen nahm diese zu sich und verwahrte sie in ihrem Koffer. Nachher kam ein Mann, hielt um sie an und heiratete sie; es war das aber kein anderer, als der, welcher in jener Nacht Messer und Gabel hatte liegen lassen. Geraume Zeit lebten beide mit einander recht glücklich; doch einst geschah es, daß die Frau krank wurde und der Mann bei dieser Gelegenheit zum ersten Male vor ihren Koffer kam, worin er das Messer und die Gabel fand. Darauf ging er vor ihr Bett und sprach zu ihr: sie wäre also diejenige, welche ihm in jener Nacht so qualvolle Stunden bereitet und einen so sauern Weg gemacht hätte, wo er über Hecken und Zäune hätte steigen, durch Wasser und Sümpfe waten und auf allen »unwegbaren« Wegen hätte gehen müssen. Von der Zeit an war er seiner Frau abgeneigt und konnte sich nicht mehr mit ihr vertragen.

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Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 172.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.