207. Die drei Rehe.

[190] Aus dem Walde, an dessen Ende die Trümmer der Bramburg hart an der Weser liegen, sahen schon viele um Mitternacht drei herrliche Rehe heraus kommen, dem Strome zuschreiten, eins nach dem andern in die Fluthen tauchen und schnurgerade durchschwimmen. Dann verschwanden sie dem folgenden Auge in der Richtung nach der Sababurg. – Einst hatte ein Forstgehülfe aus einem benachbarten Orte sich vorgenommen, wo möglich, eins von den drei Rehen zu erlegen. Er begab sich also in der Nacht in die Nähe der Bramburg, wo auch die Rehe zur gewohnten Zeit erschienen. Aber in dem Augenblicke, wo er schießen wollte, stand der Hahn der Flinte unbeweglich fest, er konnte den Finger nicht krümmen und versank in eine Art Betäubung. Er sah noch die Rehe dicht bei sich vorbei kommen und es war ihm, als ob ihre Gestalten in einen lichten Dunst über ihnen verschwämmen und als ob dieser drei Fräulein von wunderbarer Schönheit einhüllte, in deren Anblick er sich ganz verlor. Am andern Mittage[190] fand man ihn nahe bei der alten Burg an eine Eiche gelehnt, das Gewehr im Anschlage, unbeweglich und wie von einem Starrkrampfe befallen. Erst nach langem Rufen und Rütteln erwachte er wie aus einem Schlafe. – Später hat er nie wieder Lustge zeigt nach den drei Rehen zu schießen und diese gehn nach wie vor ihres Weges nach der Sababurg.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 190-191.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.