Der Hegau-Sänger

[110] »Seid mir gegrüßt im Sonnenglanz,

Du ferner Alpenschnee,

Ihr Berge meines Heimatlands

Und du, mein blauer See!
[110]

Der hohe Stoffeln winkt's vertraut

Dem hohen Hewen zu,

Durch Wald und Flur erklingt es laut:

›Mein Hegau, schön bist du!‹«


So singt ein Sänger, weit bekannt,

In süßer Melodei,

Die Zither schwebt am grünen Band

Um seine Schultern frei.


Das Band hat liebe Hand gestickt

An wildem Schwarzwaldhang,

Als er, den Bart mit Eis durchspickt,

Dort Schuberts Lieder sang.


Die Stimme, die solch Ständchen bracht

Einst bei der Schlücht Gebraus,

Drang seit der kalten Winternacht

Weit in die Welt hinaus.


Sie klang, wo frommes Volk sich schart

Im Dom zu Gottes Ehr',

Und wo auf heitrer Sängerfahrt

Von Wein die Becher schwer.


Nun sind die Locken schier ergraut:

Heut zählt man fünfzig Jahr',

Daß er zum erstenmal ward laut,

Zur Freud' dem Elternpaar.


Doch geht der Schritt noch frank und leicht;

Glückauf zum Jubeltag!

Das grüne Band ist nicht erbleicht,

Er singt wie Lerchenschlag:
[111]

»Seid mir gegrüßt im Sonnenglanz,

Du ferner Alpenschnee,

Ihr Berge meines Heimatlands,

Und du, mein blauer See!


Der hohe Stoffeln winkt's vertraut

Dem hohen Hewen zu,

Durch Wald und Flur erklingt es laut:

›Mein Hegau, schön bist du!‹«

Quelle:
Joseph Viktor von Scheffel: Kritische Ausgabe in 4 Bänden, Band 1, Leipzig/ Wien 1917, S. 110-112.
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