Asphalt

[24] Bestreuet die Häupter mit Asche,

Verhaltet die Nasen euch bang,

Heut gibt's bei trübfließender Flasche

Einen bituminösen Gesang.


– Schwül strahlet die Sonne der Wüste,

Am Toten Meere macht's warm;

Ein Derwisch spaziert an der Küste,

Eine Maid aus Engeddi am Arm.


Nicht Luftzug noch Wellenschlag kräuselt

Den zähen, bleifarbigen See,

Nur Naphthageruch kommt gesäuselt

Und dunstig umflort sich die Höh'.


's ist eine versalzene Gegend

Und niemand ringsum ist gerecht;

Zu Lots Zeit hat's Schwefel geregnet

Und heut noch ist alles verpecht.


Keine Wäscherin naht mit dem Kübel,

Kein Durstiger naht mit dem Krug,

Und dem Durstigsten selber wird übel,

Wagt er aus der Flut einen Zug.


Zwei schwarzbraune Klumpen lagen

Am Ufer faulbrenzlig und schwer;

Drauf satzte mit stillem Behagen

Das Paar sich und liebte sich sehr.


Doch wehe! sie saßen auf Naphtha,

Und das läßt keinen mehr weg,

Wer harmlos sich dreinsetzt, der haft't da

Und steckt im gediegensten Pech.


Sie konnten sich nimmer erheben,

Sie jammerten: »Allah ist groß!

Wir kleben – wir kleben – wir kleben!

Wir kleben und kommen nicht los!«
[25]

Umsonst hat ihr Klagen und Weinen

Die schweigende Wüste durchhallt,

Sie mußten zu Mumien versteinen

Und wurden, ach, selbst zu Asphalt.


Ein Vögelein wollte um Hilfe

Hinüber zum Städtlein Zoar,

Betäubt fiel's herab ins Geschilfe,

Es stank, daß zu fliegen nicht war.


Und blaß, mit erschaudernden Seelen

Sah man einen Wallfahrtzug fliehn –

Den Pilgern sowie den Kamelen

War's benzoesauer zu Sinn.


So geht's, wenn ein Derwisch will minnen

Und hat das Terrain nicht erkannt ...

O Jüngling, fleuch eiligst von hinnen,

Wo Erdpech entquillet dem Land.

Quelle:
Joseph Viktor von Scheffel: Kritische Ausgabe in 4 Bänden, Band 1, Leipzig/ Wien 1917, S. 24-26.
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