Vor dem Dom zu Köln

[247] Seh' ich immer noch erhoben

Auf dem Dach den alten Krahn,

Scheint mir nur das Werk verschoben,

Bis die rechten Meister nahn.
[247]

Denn ein Sabbath hat begonnen,

Osterabend hehr und still,

Gleich dem Mond der Frühlingswonnen,

Wenn ans Licht die Knospe will.


Hört ihr wol die Glocken läuten?

Also nah ist Gottes Reich –

Feiertag soll das bedeuten,

Betet und bereitet euch.


Salbet euch mit Oel der Stärke,

Nur auf Eines habet Acht,

Montag naht, ein Tag der Werke

Und ein Tag der Meisterschlacht.


Kommt ihr Meister und Gesellen

Zu dem Thale Josaphat,

Daß wir Säulen haun und Schwellen

Für die neue Bundesstadt.


Auf dem alten Grund erheben,

Neu geweiht von frommer Hand,

Sollt ihr euch zum jungen Leben,

Burgen, Kirch' und Vaterland.


Jeder opfert seine Gabe,

Priester singen in dem Chor,

Und der Bischof mit dem Stabe

Klopfet dreimal an das Thor.


Harret nur noch wenig Stunden,

Wachet, betet und vertraut,

Denn der Jüngling ist gefunden,

Der den Tempel wieder baut.


Quelle:
Max Schenkendorf: Gedichte, Leipzig o.J, S. 247-248.
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