2. Die heiligen drei Könige

[227] Auf stillen Felsenhöh'n

Wir standen viele Nächte,

Dort nach dem Licht zu seh'n

Vom künftigen Geschlechte.


Ein alt prophetisch Lied,

Es hat auch uns geklungen,

Hat unser Herz durchglüht

Und innig uns durchdrungen.


Da trieb es uns hinaus,

Zu wandern durch das Leben,

Die Ruh, den Hof, das Haus

Und Alles dran zu geben.


Uns riefen von dem Herrn

Die Sagen und die Kunden,

Wir folgten seinem Stern,

Bis wir ihn selbst gefunden.


Maria, süßes Bild,

Wir können's nie vergessen,

Wie du, so fromm und mild,

Am Kripplein bist gesessen.


Das folgt uns wie ein Traum

Nach Köllen an dem Rheine,

Füllt unsern Grabesraum

Mit seinem hellen Scheine.
[227]

Und wenn ein holdes Kind

Nach unserm Grabe ziehet,

Wenn treu und stillgesinnt

Sich Muttersorge mühet,


Dann fühlen wir die Lust

Aus alter Zeit sich regen,

Es zieht in manche Brust

Aus unserm Grab der Segen.


Der Myrrhen Bitterkeit –

Man kennt sie wol im Leben,

Doch sollen drüber weit

Die Weihrauchswolken schweben.


Das Gold, es ist die Treu

Im Leben, wie im Sterben:

Solch edle Spezerei

Kann Jeder hier erwerben.


Quelle:
Max Schenkendorf: Gedichte, Leipzig o.J, S. 227-228.
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