3. Simeon

[228] Herr, ich kann in Frieden fahren,

Denn dein Morgen röthet sich,

Hab' erharrt in langen Jahren,

Was ich schaue sichtbarlich;


Was uns heilig zugeschworen,

Ist wahrhaftig auch geschehn;

Dieses Zeichen war erkoren

Vieler Fall und Auferstehn.


Mag das Schwert zum Herzen dringen,

Schallen soll der Glockenklang;

Hell und muthig will ich singen

Meinen letzten Schwanensang.


Neues Leben hat begonnen,

Jung und schön und wunderbar,

All die alten Liebesbronnen

Fließen auch noch süß und klar.
[228]

Wenn die Greise Kinder werden,

Weisheit aus den Kindern spricht,

Spielet wieder auf der Erden

Hell und frisch das Himmelslicht.


Herr, nun laß den Diener ziehen,

Laß ihn von dem langen Thun,

Von den Sorgen, von den Mühen

Sanft in seinem Erbtheil ruhn.


Quelle:
Max Schenkendorf: Gedichte, Leipzig o.J, S. 228-229.
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