Frühlingsgesang an Sulamith

[16] Den Bäumen wachsen Augen

Im Garten und im Hain,

Und tausend Leben saugen

Des Gottes Athem ein.


Die Liebe fließt in Bächen,

Sie weht im Blütenduft,

Verborgne Stimmen sprechen

Im Bach und in der Luft.


Komm Freundin, süße Taube,

Verborgne, Liebliche,

Komm zur geheimen Laube,

Umwölkt vom Blütenschnee.


Laß fühlen mich der Rede

Bezaubernde Gewalt,

Enthüll', o Süße, Blöde,

Die herrliche Gestalt.


Der Lilien bekleidet,

Gab ihr den Frühlingsschein,

Der unter Rosen weidet,

Dein Freund ist dein, du sein!

Quelle:
Max Schenkendorf: Gedichte, Leipzig o.J, S. 16-17.
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