An das Haus Habsburg

[172] 1814.


Hohenstaufen und Ottone

Zogen gen Italia,

Der Lombarden ehrne Krone

Blendete die Deutschen da.


Und ihr hohes Recht erwiesen

Schien seit grauer Väter Zeit:

Hatten doch des Nordens Riesen

Kühn die alte Welt befreit.


Hatte Karol doch geschlagen

Desiderius in der Schlacht,

Und den Kaiserschmuck getragen,

Zeichen seiner höchsten Macht.


Brachte doch in Schönheit blühend

Jene Länder Adelheid

Ihrem Otto zu, der glühend

Um so hohen Schatz gefreit.


Aber ach, auf jenen Zügen

Brach der alte keusche Muth,

In den Schlachten, in den Siegen

Floß das reinste deutsche Blut.


Deutschlands hohe Namen starben

In den langen Fehden aus,

Wo wir unsre Kraft verdarben,

Zeigt noch manches wüste Haus.


Und noch immer zieht ein Sehnen

Uns nach jenen Fluren hin,

An des Südens weichen Tönen

Schmilzt noch stets der strenge Sinn.
[173]

Fliehst auch du der Väter Segen,

Habsburg, altes Kaiserhaus?

Wendest dich nach fremden Wegen,

In die Ferne dich hinaus?


Herrsche denn, du deutsches Wesen,

Stamm, den Jeder liebend nennt.

Von den freien Milanesen

Herrsche bis gen Benevent.


Aber wo du ausgegangen,

Meide nicht die deutsche Flur,

Tausend Herzen schaun mit Bangen

Auf den Bergen deine Spur.


Wo die Aar des Goldes Wellen

Liebend in den Rhein ergießt,

Wo der Donau junge Quellen

Treues Schwabenvolk begrüßt,


Wo der Schwarzwald jetzt so finster

Unser schönes Erbe schirmt,

Wo den Riesenbau, das Münster,

Einst ein Habsburg aufgethürmt.


Wo einst Rudolphs Haus gestanden,

Ruft dir alles liebend zu:

Hier im Haupt von deutschen Landen,

Deutscher Stamm, hier herrsche du.


Quelle:
Max Schenkendorf: Gedichte, Leipzig o.J, S. 172-174.
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