An den Ritter Wolfart von Greifenegg, k.k. Obristwachtmeister und Geschäftsträger am Badenschen Hofe

[156] Den 12. Mai 1814.


Wir hoffen von der Zukunft viel,

Das Recht soll wiederkehren,

Und länger nicht der Willkür Spiel

Das deutsche Volk entehren.


Dir nicht, entartetes Geschlecht,

Dir wird das nicht verkündigt,

Du hast mit fremder Magd und Knecht

Dich gar zu schwer versündigt.


So wandle ferner blind und taub,

Zu blöde selbst zum Hoffen;

Sei jedes Drängers guter Raub

Und stets dem Welschen offen.


Doch aus der Ferne steigen schon

Die Kinder frei geboren,

Die hat sich Gott im höchsten Thron

Zu seinem Volk erkoren.


Die sogen an der Freiheit Brust,

Schon unterm Mutterherzen

Empfanden sie die Siegeslust

Und auch des Landes Schmerzen.


Die schauen erst im rechten Glanz

Warum wir alle werben,

Die sollen Waffen, sollen Kranz,

Die blut'gen, von uns erben.


Drum wollen wir die Gegenwart

Mit rechter Treu verwalten,

Und was die junge Welt erharrt,

Versuchen zu gestalten.
[157]

Wir haben lang ans Kreuz gelegt

Den Willen wie die Ehren,

Was auch die Hölle noch erregt,

Mag fürder uns nicht stören.


Wir streuen froh den Samen aus,

Die edlen Körner fallen:

Wir werden zu des Vaters Haus

Doch ohne Schande wallen.


Quelle:
Max Schenkendorf: Gedichte, Leipzig o.J, S. 156-158.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Gedichte