Das Lied vom Rhein

[130] An Friedrich Lange.


Es klingt ein heller Klang,

Ein schönes deutsches Wort

In jedem Hochgesang

Der deutschen Männer fort:

Ein alter König hochgeboren,

Dem jedes deutsche Herz geschworen –

Wie oft sein Name wiederkehrt,

Man hat ihn nie genug gehört.


Das ist der heil'ge Rhein,

Ein Herrscher, reich begabt,

Deß Name schon, wie Wein,

Die treue Seele labt.

Es regen sich in allen Herzen

Viel vaterländ'sche Lust und Schmerzen,

Wenn man das deutsche Lied beginnt

Vom Rhein, dem hohen Felsenkind.


Sie hatten ihm geraubt

Der alten Würden Glanz,

Von seinem Königshaupt

Den grünen Rebenkranz.

In Fesseln lag der Held geschlagen:

Sein Zürnen und sein stolzes Klagen,

Wir haben's manche Nacht belauscht,

Von Geisterschauern hehr umrauscht.


Was sang der alte Held? –

Ein furchtbar dräuend Lied:

»O weh' dir, schnöde Welt!

Wo keine Freiheit blüht,[130]

Von Treuen los, und bar von Ehren!

Und willst du nimmer wiederkehren,

Mein, ach! gestorbenes Geschlecht

Und mein gebroch'nes deutsches Recht?«


»O meine hohe Zeit!

Mein goldner Lebenstag!

Als noch in Herrlichkeit

Mein Deutschland vor mir lag.

Und auf und ab am Ufer wallten

Die stolzen adligen Gestalten,

Die Helden, weit und breit geehrt

Durch ihre Tugend und ihr Schwert!«


»Es war ein frommes Blut

In ferner Riesenzeit

Voll kühnem Leuenmuth,

Und mild als eine Maid.

Man singt es noch in späten Tagen,

Wie den erschlug der arge Hagen,

Was ihn zu solcher hat gelenkt,

In meinem Bette liegt's versenkt.«


»Du Sünder! wüthe fort!

Bald ist dein Becher voll;

Der Niebelungen Hort

Ersteht wol, wenn er soll.

Es wird in dir die Seele grausen,

Wenn meine Schrecken dich umbrausen;

Ich habe wohl und treu bewahrt

Den Schatz der alten Kraft und Art!« –


Erfüllt ist jenes Wort:

Der König ist nun frei,

Der Niebelungen Hort

Ersteht und glänzet neu!

Es sind die alten deutschen Ehren,

Die wieder ihren Schein bewähren:

Der Väter Zucht und Muth und Ruhm,

Das heil'ge deutsche Kaiserthum!
[131]

Wir huld'gen unserm Herrn,

Wir trinken seinen Wein.

Die Freiheit sei der Stern!

Die Losung sei der Rhein!

Wir wollen ihm aufs neue schwören;

Wir müssen ihm, er uns gehören.

Vom Felsen kommt er frei und hehr,

Er fließe frei in Gottes Meer!


Quelle:
Max Schenkendorf: Gedichte, Leipzig o.J, S. 130-132.
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