Das eiserne Kreuz

[103] Auf der Nogat grünen Wiesen

Steht ein Schloß in Preußenland,

Das die frommen deutschen Riesen

Einst Marienburg genannt.
[103]

An der Mauer ist zu schauen

Bildniß leuchtend groß und klar,

Bildniß unsrer lieben Frauen,

Die den Heiland uns gebar.


Lieb' und Glaube wollten geben

Jener Fülle milden Reiz,

In den Lüften sah man schweben,

In den Fahnen hoch das Kreuz.


Heil'ges Zeichen ward erlesen

Fern im weisen Morgenland,

Und nach seinem tiefsten Wesen

Ward es deutsches Kreuz genannt.


Heil dir, alter Bund der Starken,

Heil euch edle deutsche Herrn,

Von den frommen Christen-Marken

Hieltet ihr die Heiden fern.


Ach, die Ritter sind gefallen,

Ihre Tempel sind entweiht,

Abgebrochen ihre Hallen –

Auf den Särgen liegt ihr Kleid.


Immer nur das Lose, Neue

Nahm die jüngste Zeit um Ziel,

Alte Kraft und alte Treue

Lebten kaum im Ritterspiel.


Doch, ein Herr, dem Alle weichen,

Hat den Jammer fromm bedacht,

Hat uns unser Ordenszeichen

Aus der Gruft herauf gebracht.


Wieder schmückt es unsre Fahnen,

Wieder deckt es unsre Brust,

Und im Himmel noch die Ahnen

Schauen es mit Heldenlust.
[104]

War das alte Kreuz von Wollen,

Eisern ist das neue Bild,

Anzudeuten, was wir sollen,

Was der Männer Herzen füllt.


Denn nur Eisen kann uns retten,

Und erlösen kann nur Blut,

Von der Sünde schweren Ketten,

Von des Bösen Uebermuth.


Heil'ges Kreuz, ihr dunkeln Farben,

Seid in jede Brust geprägt.

Männern, die im Glauben starben,

Werdet ihr aufs Grab gelegt.


Um die kühnen Heldengeister

Schlingt sich dieses Ordens-Band,

Und der König ist sein Meister,

Der das alte Zeichen fand.


Quelle:
Max Schenkendorf: Gedichte, Leipzig o.J, S. 103-105.
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