Sechster Auftritt


[716] Karl. Sorel. Du Chatel.


KARL.

Ist denn die Krone ein so einzig Gut?

Ist es so bitter schwer, davon zu scheiden?

Ich kenne was noch schwerer sich erträgt.

Von diesen trotzig herrischen Gemütern

Sich meistern lassen, von der Gnade leben

Hochsinnig eigenwilliger Vasallen,

Das ist das Harte für ein edles Herz,

Und bittrer als dem Schicksal unterliegen!


[716] Zu Du Chatel, der noch zaudert.


Tu was ich dir befohlen!

DU CHATEL wirft sich zu seinen Füßen.

O mein König!

KARL.

Es ist beschlossen. Keine Worte weiter!

DU CHATEL.

Mach Frieden mit dem Herzog von Burgund,

Sonst seh ich keine Rettung mehr für dich.

KARL.

Du rätst mir dieses, und dein Blut ist es,

Womit ich diesen Frieden soll versiegeln?

DU CHATEL.

Hier ist mein Haupt. Ich hab es oft für dich

Gewagt in Schlachten und ich leg es jetzt

Für dich mit Freuden auf das Blutgerüste.

Befriedige den Herzog. Überliefre mich

Der ganzen Strenge seines Zorns und laß

Mein fließend Blut den alten Haß versöhnen!

KARL blickt ihn eine Zeitlang gerührt und schweigend an.

Ist es denn wahr? Steht es so schlimm mit mir,

Daß meine Freunde, die mein Herz durchschauen,

Den Weg der Schande mir zur Rettung zeigen?

Ja, jetzt erkenn ich meinen tiefen Fall,

Denn das Vertraun ist hin auf meine Ehre.

DU CHATEL.

Bedenk –

KARL.

Kein Wort mehr! Bringe mich nicht auf!

Müßt ich zehn Reiche mit dem Rücken schauen,

Ich rette mich nicht mit des Freundes Leben.

– Tu was ich dir befohlen. Geh und laß

Mein Heergerät einschiffen.

DU CHATEL.

Es wird schnell

Getan sein.


Steht auf und geht, Agnes Sorel weint heftig.[717]


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 716-718.
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